2016
Musikalisch war das Jahr für mich etwas schwächer als 2015. Im Vorjahr gab es drei alles überragende Alben (Sufjan Stevens, Steven Wilson, Joanna Newsom); 2016 viele gute Veröffentlichungen, aber kein Meisterwerk. Für viele Musikfans steht natürlich dieses Jahr im Vordergrund wegen der prominenten Verluste. Schuld daran ist wahrscheinlich der überraschende Tod David Bowies nur zwei Tage nach Veröffentlichung seines letzten Albums. Es ist keine Herabwürdigung von Prince, Glen Frey oder Leonard Cohen, aber Bowie war wohl der berühmteste Name unter den Toten, vergleichbar nur noch mit Mick Jagger, Paul McCartney, Madonna oder Elton John (möge ihnen noch ein langes Leben vergönnt sein). Für mich persönlich war der Tod des Künstlers, den ich - neben Dylan - am meisten bewundere und der mich seit über 30 Jahren durch mein Leben begleitet hat, ein immenser Verlust. Alle weiteren Todesfälle, die folgten, waren subjektiv gegenüber Bowies Tod fast belanglos.
Wie gesagt - keines der Alben 2016 langt an die Top 3 des Vorjahres heran, dafür liegen für mich die Top 10 dieses Jahres alle relativ nahe beieinander. Wie immer habe ich keine Livealben berücksichtigt (Fred Hersch ist eine Ausnahme, da im Jazz Liveaufnahmen einen anderen Stellenwert haben als in der Rockmusik). Mein Favorit kommt dieses Mal aus Frankreich.
Über das Album habe ich vor einigen Monaten eine Rezension im Empire verfasst:
„Palermo Hollywood“ ist kein Album über eine Reise von Sizilien nach Kalifornien. Palermo Hollywood ist ein Stadtteil von Buenos Aires, der in den letzten Jahren zum zweiten Wohnsitz von Benjamin Biolay wurde. Der französische Chansonier hat sein neues, siebtes, Soloalbum auch größtenteils in der argentinischen Hauptstadt aufgenommen. Wer sich für französische Künstler interessiert, kommt kaum um Biolay herum: Neben den erwähnten Solowerken hat er in den vergangenen etwa 15 Jahren auch mit und für diverse Kollegen Songs geschrieben, zum Beispiel mit Keren Ann für Henri Salvador, für seine Schwester Coralie Clément und zuletzt auch für Vanessa Paradis. Auch für Palermo Hollywood konnte er eine große Rieger an Künstlern gewinnen: zwei Songs, "Palermo Soho" und "Palermo Queens" schrieb er zusammen mit der Deutsch-Peruanerin Sofía Wilhelmi, das auf spanisch gesungene "La Noche ya no existe" entstand mit der uruguayischen Künstlerin Alika. Zu hören sind weiterhin Orchestermusiker aus Buenos Aires und Paris und bei einem Chanson der Tenor Duilio Smiriglia. Auf dem Papir klingt das vielleicht nach einer inhomogenen Mischung, aber Biolay gelingt es eben doch ein für ihn typisches Album aufzunehmen. Geprägt von seinem immer leicht lakonischen, dunklen Sprechgesang und textlich beeinflusst von den Attentaten in Paris im vergangenen Jahr und wohl auch von seiner Trennung von Vanessa Paradis, gelingt ihm ein melancholisches und gleichzeitig wunderschönes Album. Viele musikalischen Momente, aber auch Alltagsgeräusche wie die Stimme eines argentinischen Fußballreporters, fügen sich zu einem sehr geschlossen klingenden Werk. Trotz der erwähnten südamerikanischen Einflüsse ist „Palermo Hollywood“ keine Weltmusik. Es ist ein Meisterwerk des französischen Chansons. Auch thematisch kehrt der Künstler mit dem letzten Song in seine Heimat zurück, der er die "Ballade française" widmet. Würde Biolay auf englisch singen, würde man ihn zweifellos als Singer/Songwriter bezeichnen und wahrscheinlich hätte er ein größeres Publikum. So wird er gerade in der deutschen Presse gerne als „zweiter Gainsbourg“ bezeichnet, dabei trifft ein Vergleich mit Leonard Cohen meines Erachtens viel besser. Wer offen ist für neue Höreindrücke, dem sei „Palermo Hollywood“ ganz unbedingt empfohlen.
1. BENJAMIN BIOLAY Palermo Hollywood
2. DAVID BOWIE Blackstar
3. LEONARD COHEN You want it darker
4. SWANS The Glowing Man
5. MOTORPSYCHO Here be Monsters
6. RADIOHEAD A Moon Shaped Pool
7. RYLEY WALKER Golden Sings that have been sung
8. STURGILL SIMPSON A Sailor’s Guide to the Earth
9. HAKEN Affinity
10. ROLLING STONES Blue & Lonesome
11. BOB DYLAN Fallen Angels
12. KATATONIA The Fall of Hearts
13. THE MARCUS KING BAND same
14. THE FRED HERSCH TRIO Sunday Night at the Vanguard
15. EXPLOSIONS IN THE SKY The Wilderness
16. NEAL MORSE BAND The Similitude of a Dream
17. ANNA TERNHEIM For the Young
18. PATRICIA KAAS –
19. MOGWAI Atomic
20. DREAM THEATER The Astonishing
21. DIIV Is the is are
22. SABATON Last Man Standing
23. AOIFE O’DONOVAN In the Magic Hour
24. LISA LYSTAM FAMILY BAND Give You Everything
25. OPETH Sorceress
Bei den Konzerten waren 2016 keine spektakulären Großereignisse wie die Auftritte 2015 von U2 und David Gilmour dabei. Ich war in kleineren Hallen unterwegs, habe auch ein paar Auftritte kurzfristig gecancelt. Aber insbesondere die Auftritte von King Crimson und Gov't Mule waren überragend. Und 2017 wirft schon seine Schatten voraus ... Bob Dylan, Iron Maiden, Dave Mathews, Angelo Branduardi, vielleicht Neal Morse und Haken ...
1. KING CRIMSON Stuttgart 09.09.16 *****
2. GOV’T MULE Luxemburg 09.05.16 *****
3. ZAZ, Nancy 12.11.16 *****
4. JOANNA NEWSOM, Nijmegen 28.02.16 *****
5. ZAZIE, Luxemburg 27.10.16 ****1/4
6. EXPLOSIONS IN THE SKY, Luxemburg 26.10.16 ****1/4
7. ZAZ, Saint-Avold, 22.01.16 ****1/2
8. DREAM THEATER, Esch-Alzette 24.03.16 ****1/2
9. KATATONIA, Esch-Alzette 24.10.16 ****
10. BARCLAY JAMES HARVEST, Zweibrücken 30.04.16 ***1/2
11. LISA LYSTAM FAMILY BAND Saarbrücken 17.07.16 ***
12. MÁRIO LAGINHA TRIO Luxemburg 15.10.16 **1/2
Ich wünsche uns allen ein gutes Jahr 2017 :boykonfetti:
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