Ich habe mich mit sehr viel "klassischer" Musik beschäftigt und finde die Begrifflichkeit eigentlich furchtbar. Am wohlsten fühle ich mich im Barock und im Frühbarock bzw. in der alten Musik. Bei mir hat das angefangen, dass ich mich über einen sehr langen Zeitraum mit dem Gesamtwerk Bachs intensivst auseinandergesetzt habe. Im Zuge dessen lernte ich natürlich relativ schnell die als "HIP" bezeichnete Spielart, vor allen Dingen alter Musik kennen. HIP steht für historisch informierte Aufführungspraxis und ist ein weites und auch vieldiskutiertes Feld. Die auffälligsten Merkmale sind die Wiedergabe der Musik mit Originalinstrumenten, die Besetzung mit Countertenören anstatt Sopranistinnen oder Kindern, relativ kleine Ensembles, höhere Tempi und akzentuiertere Phrasierungen und teilweise auch radikalere Auslegung der Partituren.
Ich möchte alte Musik und Musik aus der Zeit des Barock eigentlich nie wieder "un-hip" hören. Die Mehrzahl der aktuellen Ensembles spielt auch mehr oder weniger historisch informiert. Die Zeiten, in der eine Passion Bachs oder auch die brandenburgischen Konzerte mit großen Orchestern (besetzungstechnisch) romantisch verklebt und dick aufgeführt worden sind (man höre sich da mal einen Karajan an, der aber ohnehin kein Bach-Experte war), sind zum Glück vorbei. Man hat die Musik einfach von diesem dicken Pathos befreit, der ihr in den 50ger bis 80ger Jahren einfach mal generell übergestülpt wurde. Das funktioniert sowohl bei geistlichen Werken mit kleinen Ensembles, Chören, die fast nur mit Solisten besetzt sind und nicht jede Stimme dreifach besetzt ist, als auch bei weltlichen Werken. Eine Händel-Oper mit einem kleinen Ensemble, zackigen Tempi und Originalinstrumenten ist einfach ein Genuss.
Den HIP-Leuten ist auch ein unheimlich großer musikalischer Schatz zu verdanken, der wieder zu Tage gefördert wurde. Das Augenmerk richtete sich nämlich sehr schnell auch zurück auf Werke, die eigentlich wenig Beachtung fanden und dem Publikum bis dato nicht zugänglich waren. Der Frühbarock und vor allen Dingen die Alte Musik, zurück bis Heinrich Schütz und noch viel weiter, erfuhren tatsächlich eine Aufführungspraxis!
Richtiger- und auch wichtigerweise namen sich die HIP-Ensembles auch der Wiener Klassik an, die ja nur so von Romantischer Spielart und Instrumentierung triefte. Ganz wichtig sind hier die Aufnahmen einiger Mozart-Opern unter Rene Jacobs mit dem Concerto Köln (einem Ensemble, was überwiegend Werke des Barocks aufführt). Le Nozze di figaro und Cosi fan tutte sollte man unbedingt in diesen Einspielungen hören. Das ist wie ein Aha-Effekt, wenn man das vorher nicht kannte. So gehört Mozart gespielt. Man hört den Witz und den Übermut und das Lachen Mozarts, von dem Hermann Hesse oftmals schrieb, sehr deutlich heraus. Früher konnte ich das nicht heraushören und wunderte mich immer, was der Hesse meint. Da darf auch mal in atemberaubenden Tempi und die Musiker sehr fordernder Weise aufgespielt werden. Erst dann merkt man eigentlich den Wahnwitz Mozarts, der die Musiker, die die Sachen spielen mussten, auch zu ärgern wusste - auf schelmische Art. Ich denke da oftmals an Zappa in diesem Zusammenhang.
Nachstehend möchte ich einige Aufnahmen der historisch informierten Aufführungspraxis wärmstens empfehlen.
Wer nicht immer stöhnen und Augenrollern will, wenn die Begriffe "Brandenburgische Konzerte" fallen, der sollte sich diese Aufnahme anhören. Nicht wiederzuerkennen mögen die Barocknummern Bachs für den einen oder anderen sein.
Gardiner und dieses Ensemble stellen für mich die letzte Weisheit in Sachen Johann Sebastian Bach überhaupt dar!!!
Eine wunderschöne Händeloper mit ergreifenden Arien ist Rinaldo. Aber nicht nur das. Die Einspielung unter Rene Jacobs mit dem Freiburger Barockorchester ist einfach ein Musterbeispiel von "So wirds gemacht". Da steckt auch viel Phantasie und Improvisation mit drin. So sind Vogelstimmen zu hören usw. Hier steht die Einspielung der Komposition in Sachen Genialität in nichts aber auch gar nichts nach.
Sehr interessant, wundervoll aufgeführt und einfach nur traumhaft insziniert ist diese Oper des Frühbarock, die man einfach gehört und gesehen haben muss. Cavallis Oper La Calisto enthält alles. Traumhafte Musik, was fürs Herz und viel Humor.
und weils so schön ist und wenn man Gefallen daran findet, sollte man unbedingt noch diese DVD des Opernpioniers Monteverdie, ebenfalls unter Rene Jacobs, schauen.

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