Noekk
Verfasst: Mi 4. Jan 2017, 18:36
Als ich Noekk zum ersten Mal hörte, eclipsedSampler, laß ich in der eclipsed einen Beitrag vo van der Graaf Generator. Das paßte, wie die Faust auf*s Auge! 7. The Riddle seeker 10:24
2005 The Water SpriteDies ist ein neues Projekt der Herren Schwadorf und Helm (wenn auch jetzt unter anderen Namen), besser bekannt als „Empyrium“. Das Debütalbum von Noekk („The water sprite“) erscheint am 30.05.2005. (Henning Mangold)






von: Henning Mangold (Rezension 1 von 3)
Vor einigen Jahren habe ich mit großem Interesse die Entwicklungen in der Gothic-Szene verfolgt, aber meine Spurensicherung verflüssigte sich rapide und zeitgleich mit den Auflösungen meiner damaligen Lieblingsbands des Genres, unter denen sich z.B. Fields Of The Nephilim, Love Like Blood und Dreadful Shadows befanden.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt könnte ich auf plötzliche Anfrage nicht einmal Auskunft darüber geben, ob es noch immer Leben in der Gruft gibt – zu fragwürdig setzt sich m.E. die heutige Gruftie-Bewegung selbst in Szene und scheint zu einem erheblichen Anteil aus ganz normalen Jugendlichen zu bestehen, die zwar dunkler gekleidet sind als die Fun-Generation, aber in ihren schattigen Szene-Kneipen genauso bieder mit ihren Leucht-Handys spielen wie die meisten anderen auch.
Natürlich ist’s meine eigene Schuld, wenn ich von deren eigentlicher Musik nichts mehr mitbekomme, die hinter den Toren der Gruft-Katakomben gespielt wird, aber manchmal kann ich es immerhin interessant finden, auf den Friedhöfen davor in Wartehaltung auf einem Grabstein zu sitzen und zu beobachten, was so alles aus den Mausoleums-Portalen nach draußen gelassen wird:
‚Raus aus der Gruft – Ran an die Luft!’ scheint mir nämlich zum unausgesprochenen Motto vieler Bands geworden zu sein, die vom weltanschaulichen Ansatz her wohl in die Mitte der Gothic-Szene passen könnten und vielleicht auch dort gelandet wären, wenn sie schon in den 80ern mit dem Gruften angefangen hätten.
Stattdessen trifft man sie nun in der frischen Luft an – falls man die wabernden Dünste verwelkter Blätter in nebligen Mooren frisch findet. Aber schon so einige Bands sind dabei, sich in diesem Unterholz eine Bude zu zimmern: In The Woods (der Name sagt’s!) leisteten eine Art Pionierarbeit durch das unwegsame Gelände, Opeth haben sich dort schon ihre modrige Parzelle gesichert, Blazing Eternity hausen gleich nebenan, und vor allem überhaupt die Bands, die vom Prophecy-Label verlegt werden, zählen zu diesem etwas anderen Kleingärtner-Verein.
Und dazu gehören eben auch die Herren Schwadorf und Helm („Empyrium“), die sich nun Baldachin und Yugoth nennen und das Projekt Noekk neu gegründet haben – wobei auch diese Namensgebung an das Umfeld von In The Woods erinnert; da erfuhr man nämlich auch nur mit Mühe, wie die Musiker wirklich hießen. Jedenfalls sind die zwei genannten Herren sehr rührig: demnächst ist schon wieder mit einem weiteren Projekt unter dem angekündigten Namen „The Vision Bleak“ zu rechnen – wer weiß, die beiden werden vielleicht noch zu Oberförstern der ganzen Gegend…
Was mir freilich an diesen Outdoor-Gruftgeistern so sympathisch ist, ist deren häufig anzutreffende Nähe zum Prog, und zwar zum ganz klassischen: Noekk zum Beispiel bauen neben den Sumpf-Tümpeln gleich ihre retro-orientierten Keyboards auf – da dürfen weder Orgel noch Mellotron fehlen, auch nicht alle anderen bekannten Klangfarben, die den ganz alten Prog ausmachten – Beispiel: wenn der Schlusssong „Riddle seeker“ zufällig von Peter Hammill gesungen würde, würde es gleich auffallen, wie dicht er am Sound von Van Der Graaf Generator liegt, nur mit viel mehr Keyboards anstelle des Saxophons – und dann mit einem schön langen Piano-Outro, das mich an Piano-Versionen von Songs der frühen Gothic-Helden erinnert.
Apropos Gesang: erfreulich ist vor allem, wie der Sänger Baldachin alias Helm es schafft, proggige Vokalmelodien zu singen, während seiner Stimme andererseits die Herkunft aus der Grunt-/Scream-Subkultur anzuhören ist. Die Stellen jedoch, an denen er hier zum Grunt neigt, beschränken sich auf wenige Sekunden.
Allerdings macht es mich schon etwas skeptisch, was ich in einer Pressemitteilung gelesen habe, dass nämlich die Musik Nähen zu King Crimson zeige: das mag für denjenigen in Ordnung gehen, der jeden Retro-Sound gleich mit dem „Court of the Crimson King“ assoziiert, aber ansonsten zeigen Noekk schon sehr deutlich, aus welcher felsigen Gegend es sie ins Unterholz verschlagen hat: zum Teil hört man harte Gitarren- und Bassgebilde, die eindeutig dem Metal entstammen, und die scheppernd nach vorn abgemischten Drums machen auch schnell deutlich, dass hier sehr heiß geschmiedet wird.
Das alles zusammen kann mir schon gut gefallen: der Noekk (=Nöck), der mit seinem Gesang junge Menschen betört und sie in wässrige Abgründe zieht (wie es der Albumtitel „Water sprite“ andeutet), verfügt tatsächlich über eine beachtliche Verführungskunst. Wen es interessiert: es gibt von August Kopisch ein Gedicht über den Nöck (19. Jahrhundert) und eine gleichnamige Vertonung für Orchester von Carl Löwe aus dem Jahre 1912.
Anspieltipp(s): Wer eher die Ruhe im Gehölz bevorzugt, sollte die Tracks 2, 4 und 6 antesten; wer härtere Scheite spalten will, den Rest – es lohnt sich alles! (der vierte ist übrigens ein sehr eigenständig-gelungenes „Dead Can Dance“-Cover!)
Vergleichbar mit: Opeth, ein wenig Anathema, Landberk, und natürlich Empyrium

von: Udo Gerhards (Rezension 1 von 2)
Wer findet wie ich, dass es in Wobblers Hinterland zu wenig Eier gibt? Wer der imaginären Eiersuche im Retro-Genre überdrüssig ist, könnte bei "The Grimalkin" fündig werden: Das deutsche Duo Noekk serviert uns mit seinem Zweitling die volle Retroprog-Kante - aber eben gewürzt mit fetten Bratgitarren und druckvollem, nicht minder fettem Schlagzeug.
In den heftigen Gitarren schimmern meinetwegen die Gothic- und Heavy-Einflüsse der beiden Protagonisten Funghus Baldachin und F.F. Yugoth durch. Aber im Grunde ist "The Grimalkin" ein waschechtes Retro-Prog-Album: Drei lange epische Stücke, in denen sich heftig rockende Teile, oft in einer Kombination aus verzerrten Gitarren und schrägen Hammond-Riffs umgesetzt, mit druckvollen, beinah überbordendem Mellotron-Wänden abwechseln, beides aber immer wieder konterkariert durch angeschrägte melancholisch ruhige Passagen (etwa das Klavier-plus-Gesang-Intro des Titelstücks) oder vertrackte Breaks in Änglagard-Manier (wenn auch ohne deren letztliche Eleganz). Dazu kommen punktuell weitere Einflüsse wie orientalisch anmutende Ornamente oder barocke Cembalo-Klänge, die für eine willkommene Auflockerung des Klangbilds sorgen. Überhaupt ist es erstaunlich, wie es Yugoth und Baldachin zu zweit schaffen (natürlich unter Ausnutzung von Studiotechnik), einen durchaus "echten" Bandsound zu kreieren.
Bei "The Water Sprite" schieden sich, soweit ich das mitbekommen habe, die Geister am Gesang: Der Stimme des studierten Opernsängers Baldachin hört man seine Ausbildung nun mal auch in den Passagen an, in denen er "dreckiger" zugange ist. Technisch makellos ist dies in jeden Fall (was schon mal mehr ist, als man von vielen anderen Sängern behaupten kann...), aber Geschmackssache. Ich persönlich habe damit keine Probleme, und vor allem scheint mir, als ob auf "The Grimalkin" der Gesang weniger im Vordergrund steht als auf dem Debüt-Album: Nicht nur, dass es in den drei Longtracks viele instrumentale Passagen gibt, auch sonst ist der Gesang vielleicht noch besser integriert. Obendrein bewirkt er zusammen mit den krachigen Gitarren, dass Noekk trotz aller hörbaren Orientierung an musikalisch ähnlich gelagerten Bands wie Änglagard oder Wobbler dennoch einen eigenen Sound mit hohem Wiedererkennungswert haben.
Natürlich ist nicht alles eitel Sonnenschein. Im Detail gibt es das ein oder andere Element, das ich verbesserungsfähig finde. Etwa wird in den rockigen Momenten der Bass soundmässig immer wieder etwas unter den Bratgitarren begraben. Außerdem fehlen mir ein paar instrumentale Highlights. Keine Sorge, die Instrumentalarbeit auf "The Grimalkin" ist alles andere als dilletantisch, aber hier oder da ein etwas verfrickelteres Gitarren-Riff oder ein verspieltes Synthie-Solo wäre zusammen mit dem fehlenden Quentchen Eleganz in der Schlagzeugarbeit die I-Tüpfelchen, die aus einer wirklich guten, empfehlswerten Retro-Scheibe ein wahres Highlight machen würde.
Trotz dieses Gekrittels, das Details und nicht die sehr positive Gesamtanmutung der CD betrifft: "The Grimalkin" ist eine wirklich feine Scheibe mit sehr druckvollem RetroProg, und mich nimmt wunder, dass (wieder: soweit ich es mitbekomme) Noekk in Prog-Kreisen nicht viel stärker diskutiert und zur Kenntnis genommen werden. Dies mag damit zusammenhängen, dass "Prophecy Productions", bei denen das Album erschienen ist, nicht unbedingt ein klassisches Prog-Label sind. Schade wäre es allemal, wenn diese Musik, die sicherlich einen größeren RetroProg-Fankreis ansprechen könnte, deshalb untergehen würde.
Vergleichbar mit: Änglagard, Wobbler, aber mit mehr heavy
von: Thorsten Gürntke (Rezension 2 von 2)
Erstaunlich, was man alles erfährt, wenn man sich mit Musikern über die Entstehungsprozesse einer CD unterhält. Einfacher wird es dadurch leider nicht, ein Review zu verfassen. Ich probier mich dennoch mal und versuche nicht so ganz subjektiv ranzugehen.
The Grimalkin ist das zweite Album von Noekk, die bereits vergangenes Jahr mit The Water Sprite ein beachtliches Debüt zwischen Metal und Retro-Sound mit Operngesang aus dem Ärmel schüttelten. Nun ist The Grimalkin eine Fortsetzung dieses doch besonderen Sounds, mit deutlich mehr Wucht und dennoch mehr Stille. Wie geht das?
Nun, besonders das von Udo leicht bekrittelte Schlagzeug halte ich für den Gewinn auf The Grimalkin. Es spielt unauffällig, sehr zielgerichtet und vor allem songdienlich. Jeder Schnörkel mehr wäre zuviel. Die Rauheit gibt dem Gesamtsound dieses bestimmte Etwas und das mag ich besonders. Todernst hingegen mal wieder der Gesang, der uns ein ums andere Mal in die Tiefen der Erde befördert. Es gibt ja Leute, die den Gesang von NOEKK als deren Schwachpunkt ausmachen, aber ey Leute, der Mann ist ausgebildeter Tenor und singt sonst Opern - da liegt kein Ton daneben. Viel diskutiert haben wir kürzlich darüber, ob es genau dieses saubere Gesinge ist, was manchen Hörer stört - schließlich erwartet man sowas ja nicht von einer Rockband - dennoch: da ist viel Kraft hinter und hört mal über Kopfhörer, ihr werdet hören, dass der Gesang mit enormer Kraft genau ins Hörzentrum marschiert.
Ob Änglagard unbedingt als Vergleich herhalten müssen, wage ich mal anzuzweifeln, wenn auch durch viel Mellotron vordergründig dieser Eindruck erweckt wird. Aber allein die Anstrengung eines mellotronlastigen Gesamtsounds macht doch noch kein Änglagard aus. NOEKK sind in dieser Hinsicht erheblich einfacher gestrickt und weniger verspielt. Doch an dieser Stelle will ich die ruhigen Passagen von oben nochmal aufgreifen. Neben aller Power, die NOEKK zweifelsohne haben, wird das Album immer wieder von sehr stillen Momenten durchzogen, die teilweise nur durch Piano und Gesang getragen werden.
The Grimalkin ist ein Fortschritt zu The Water Spite, es wirkt in sich kompakter, strukturierter und kraftvoller. Dennoch schleichen sich hier und da Längen ein, die durch geschicktes Spielen mit Stimmungen hätten umgangen werden können. The Grimalkin könnte eine Spur spektakulärer sein, könnte insgesamt mehr mit Emotionen spielen und im Gesamten überraschender daher kommen.
Anspieltipp(s): The Albatross
Vergleichbar mit: Änglagard (wegen viel Mellotron), doomiger Metal

von: Thomas Kohlruß (Rezension 1 von 2)
"...reduce to the max..." Das war früher mal ein Slogan für den Smart. Das könnte auch das Motto des dritten Werkes von Noekk sein und das mancherlei (nicht immer positiver) Hinsicht. "The Minstrel's Curse" wirkt düsterer, aber auch kompakter und selbstbewusster. Gar nicht zu reden von den heftigen Gitarren, die den Hörer sofort am Beginn vom Opener und Titelsong, irritieren.
Die Herren Baldachin und Yugoth machen einen deutlichen Schritt vom RetroProg in Richtung Hard Rock und gar, wenn es ganz heftig wird, ProgMetal. Das wirkt zunächst seltsam, entwickelt aber zunehmend Charme. Zumal Noekk die lyrischen Passagen nicht komplett abgelegt haben, sondern diese Oasen geschickt im Gesamtalbum-Kontext platzieren. Und auch das Mellotron wird nicht verschmäht. Das Schlagzeug setzt sich hervorragend in Szene, gerade die Beckenbearbeitung ist beeindruckend. Der Bass hingegen findet so gut wie nicht statt.
Noch beim Vorgänger "The Grimalkin" fand ich die Opernstimme von Sänger Baldachin in diesem Umfeld nicht immer überzeugend, so passt sie hier gerade in den heftigen Passagen wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Dazu kommt, dass er hier nicht selten wie Ronnie James Dio zu seinen Rainbow-Zeiten klingt. Die Musik unterstützt dieses Deja-Vu auch noch und schon fühlt man sich in die Zeiten von "Stargazer", "Tarot Woman" und "A Light in the Black" zurückversetzt. Interessante Akzente setzt Gastsänger Allen B. Konstanz, der sich in einer Art "ungrowligem Growlen" übt... besser kann ich es nicht in Worte fassen.
Musikalisch ist das dritte Werk von Noekk also durchaus top, aber der Makel ist die Spielzeit. Das Album bringt es gerade mal auf knapp 35 Minuten und dabei ist im letzten Song nach 9 Minuten erstmal für drei Minuten komplette Stille, bevor dann noch ein mit theatralischer Musik unterlegter Düster-Text gesprochen wird. Nun ja, ein bisschen sehr wenig von sehr guter Musik, also auch hier "...reduce to the max...".
Anspieltipp(s): The Minstrel's Curse
von: Thorsten Gürntke (Rezension 2 von 2)
Gib ihm Saures! Noekk überraschen mit Härte und Geradlinigkeit. War der Vorgänger noch sehr schwedisch geprägt (Änglagard lassen grüßen) und voll des Mellotrons, so dominiert auf The Minstrel's Curse eindeutig die Gitarre.
In der Tat ist dies leider nicht wirklich was weltbewegendes. Gut ist es allemale, doch ich bezweifle, dass man im Metal oder Prog damit wirkliche Punkte sammelt. Der ausgesprochen gute Gesang tendiert stärker denn je Richtung DIO meets Oper und ist nach wie vor der Überraschungsmoment der Musik von Noekk. Doch so recht zünden mag das Album nicht. Zu gewöhnlich, manchmal etwas in Klischees, bewegt man sich und beim Opener The Minstrel's Curse reizt man diverse Themen derart aus, dass ich mir schon nach drei Minuten die Frage stellte, ob da denn noch was anderes geht. Glücklicherweise ist das dann so. Aber insgesamt reißt mich das Album nicht um. Der an das abschließende Stück "The Rumour And The Giantess" angesetzte "Hidden Track" wäre als Intro in etwas kürzerer Variante übrigens großartig gewesen. So bewegt man sich leider im Mittelfeld, ohne große Überraschungen und wirkliche Neuerungen.