Eine Hochzeit ist etwas Wunderbares, im Wonnemonat Mai oder Juni vollzogen ist es einer der Höhepunkte im Leben.
So ist das wohl auch für Roine Stolt, der schon auf seinem Album „The Flower King“ schrieb: „Jon Andersson , ….. you are still the greatest!“
Nun handelt es sich jetzt im Jahre 2016 ja um keine echte Ehe, sondern um eine musikalische Partnerschaft, die vom begabten Gitarristen
schon lange ins Auge gefasst wurde.
Ob Jon Anderson 1994, im Jahr der Veröffentlichung des vorgenannten Albums, schon einmal etwas bewusst vom Mastermind aus Upsalla
angehört hat, darf bezweifelt werden …
Zurück zur „Hochzeit“ [sprich: Hoch – Zeit]!
Was braucht man dafür? Traditionell vier Zutaten: etwas Altes, etwas Neues, etwas Geborgtes und etwas Blaues. Nun schauen wir in Folge,
ob wir das auf dem Album finden können. Gewaltig ist schon mal der Albumtitel: „Invention of Knowledge“.
01. INVENTION OF KNOWLEDGE
a. Invention (09:41)
b. We Are Truth (06:41)
c. Knowledge (06:30)
02. KNOWING
a. Knowing (10:31)
b. Chase and Harmony (07:17)
03. EVERYBODY HEALS
a. Everybody Heals (07:36)
b. Better By Far (02:03)
c. Golden Light (03:30)
04. KNOW... (11:13)

Jon Anderson scheint vom Album sehr angetan zu sein, denn viele der in den letzten Jahren entstandenen Kollaborationen haben es bisher nicht bis zur
offiziellen Veröffentlichung geschafft. Deshalb scheint da ein frischer Wind zu herrschen, denn im Herbst wird mit ARW (Anderson, Rabin & Wakeman) nachgelegt.
Natürlich sehr zur Freude der Fans.
Musikalisch verwurzelt ist das Album natürlich tief in der Hoch-Zeit von Yes, als man ganze Stadien füllte und ein schwedischer Gitarrist maßgeblich die Band Kaipa
beeinflusste. Oberflächlich betrachtet hätte solch ein Magnum Opus auch in das Jahr 1976 gepasst und den musikalischen Großtaten „Awaken“ und „Skenet Bedrar“
konkurriert.
„Invention“ schließt sich nahtlos an „Soon“ an. Fernes Meeresrauschen löst sich in drei Gitarren auf und Andersons Stimme erhebt sich langsam über dem Ozean.
Das Ganze mündet in einen kurzen Songteil, der sich zum Opus wandelt. Breaks, Wendungen, unbändiger Optimismus, mitreißende Refrains und Aufgänge im
Hochtonbereich lassen ein Monster erwarten.
Zwischendurch ein Lachen des Sängers, ein kleiner Chor im Hintergrund, diverse Vokalpassagen, ein hämmernder Bass lässt uns Chris Squire vom azurnen Himmel
herabschauen. Einfach nur grandios. Mr. Stolt lässt ganze Alben-Zitate der Flower Kings erklingen und verbindet diese mit den tausend Stimmen des Yes-Gründers.
Dann wieder melancholisch, indische Sitar-Klänge wandeln sich zu typisch schwedischem Prog. Dann geht „Invention“ in „We are Truth“ über. Hier beherrscht Jon’s
Stimme das Orchester und den Chor in alter Stärke und überzieht den Rezensenten mit Ganzköper-Gänsehaut im Höhepunkt „We are truth made in Heaven we are glourios“.
In typischer Flower Kings Manier wird jetzt reduziert und die Gitarre breitet sich aus. „Knowledge“ beginnt als donnernder Abschluss und lässt den Prog der 70er in
neuem Licht erstrahlen. Die Themen werden reflektiert und Jon klingt hier nachdenklich, zerbrechlich, man taucht wieder in das Meer des topographischen Ozeans
ein, wird von dessen Wellen umhüllt.
Gestrandet im pazifischen Ozean, irgendwo auf einer kleinen Insel wieder angespült und von polynesischen Stimmen erweckt. Der „Moorglade Mover“ verschwindet
über den Wogen. Jon’s Stimme erhebt sich, nimmt die Melodien auf, der Chor taucht im Hintergrund auf …
„Olias“ strandet in „Knowing“ an den kühlen und steinigen Küsten Schwedens. Die elegische Gitarre zeigt den Weg zu einer kleinen Kapelle mit Orgel und Chor.
Dann wieder dieses Thema, welches sich wie ein roter Faden durch das Albums zieht. So auch die Wortspiele.
„Chase and Harmony“ wird mit Piano eingeleitet. Jon greift auf Gesangsmelodien zurück, die er auf seinen letzten Alben verwendet hat. Verschiedene Keyboards
veredeln den Song, die Melodie wird von Roines Gitarre aufgenommen … Dann wird wieder verlangsamt, eine Technik, die schon bei „Awaken“ sehr wirkungsvoll war.
Ein symphonischer Beginn mit fast weinerlichem Gesang von Jon, der von Strophe zu Strophe optimistischer und lebensbejahend wird hört man in „Everybody Heals“.
Verschiedene Genres werden „progenisiert“, Fusion, traditioneller Pianojazz … Artrock kann auch sehr erfrischend sein. Tausend Stimmen führen durch die Stücke
„Everybody Heals“, „Better by far“ und „Golden Light“. Haben Mr. Stolts Gitarren bisher dominiert, so sind es hier eher die Keyboards.
Die abschließende Kurzreise „Know …“ beginnt im Lounge-Bereich von Mr. Anderson. Alles ist relaxed. Eine Stimmung, wie sie im gemütlichen Beisammensein mit guten
Freunden am Ende eines langen Tages stattfinden kann. Das hätte auch gut für die Anderson Pionty Band gepasst. Doch da kommt Nina Simone vorbei und Jon stellt sich
vor das Mikrophon in der alten Bar. Er trägt einen weißen Anzug und singt verliebt seiner Jane zu. Da taucht Roine auf und spielt ein kleines Jazz-Solo. Es öffnen sich alle
Türen und Fenster, der Chor tritt ein und die komplette Band schiebt sich auf die Bühne. Aus allen Ecken erklingen kleine Melodien und Instrumente und vollenden den
Epilog. Welche eine Lebensenergie kann diese Stimme übertragen. Die Instrumente entschwinden letztlich im blauen Horizont zwischen Himmel und Meer.
Musiker:
Jon Anderson - Lead & Backing Vocals, Additional keyboard
Roine Stolt - Electric guitars, 6 &12 str. Acoustic guitars, Dobro, Portuguise guitar, Lap steel, Keyboards, Percussion, Backing vocals
Tom Brislin - Yamaha Grand C 7 Piano, Fender Rhodes Piano, Hammond B 3 organ & synthesizers
Lalle Larsson - Grand Piano & Synthesizer
Jonas Reingold - Bass
Michael Stolt Bass & Taurus pedals
Felix Lehrmann - Drums
Daniel Gildenlöw, Nad Sylvan, Anja Obermayer,
Maria Rerych, Kristina Westas - Backing vocals
Man kann alle vier traditionellen Dinge finden, die eine gute „Hoch-Zeit“ ausmachen. Das sogar mehrfach.
Etwas Altes – der gute alte Artrock der 70er
Etwas Neues – ein neues Studio-Album zweier begabter Künstler
Etwas Geborgtes – ein Beatles-Zitat
Etwas Blaues – das Himmels-Blau des anspruchsvollen Covers
In den letzten Jahren wurden beide Musiker kritisiert, teilweise zu Recht. Hier haben Sie bewiesen, dass sie Ausnahmekünstler sind. „Invention of Knowledge“ ist ein
musikalisches Monster und das im positiven Sinn. Es strotzt vor Ideen und wird in 2016 das erfüllen, was viele unter Yes-Music verstehen und das in einer erlesenen
Besetzung.
Wertung: 14 von 15 Punkten
Jon Anderson tritt den Beweis an, dass er noch lange nicht zum musikalischen „alten Eisen“ gehört. Was hier geschaffen wurde, wird in seiner Generation ihresgleichen
suchen müssen. Natürlich ist auch klar, dass Roine Stolt den Mammutanteil beigetragen hat.
Man darf sich auf weitere Outputs freuen, das ARW-Album wirft seine Schatten voraus.
Die visuelle Umsetzung des Albums durch den Künstler Silas Toball ist gelungen. Ich freue mich schon auf das LP-Cover wenn das Vinyl aufgelegt ist. Dann werde ich
die Texte aufmerksam lesen, die feinen Dinge in Detail erkunden, die das Album bietet.
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