Hui! Das sind hier ja gleich mehrere Fragen und Gedanken auf einmal in diesem Thread. Ich versuche mal, alles abzuarbeiten.
Ich denke mal, ob man nun als Band oder Solo-Künstler "too old for this shit" ist, sollte der betreffende Musiker mit sich selbst ausmachen. Wenn beispielsweise Leute wie die Stones, The Who, Paul McCartney, Elton John, Leonard Cohen, Bob Dylan, Neil Young, Bruce Springsteen, Mark Knopfler, Cliff Richard, Robert Plant, Eric Clapton, Steve Hackett, Peter Gabriel, Phil Collins, David Gilmour, Roger Waters, David Bowie oder auch Yes sich noch als gesundheitlich in guter Form und spielfreudig sehen, sähe ich keinen Grund dazu, ihnen davon abzuraten, auch weiterhin Alben zu veröffentlichen oder Konzerte zu geben. Beweisen müssen die genannten jedenfalls niemandem mehr was, Moneten haben sie zumeist auch genug und es ist auch niemand gezwungen, sich neuere Alben der Interpreten zu kaufen oder deren Konzerte zu besuchen. Tatsächlich kann es aber auch mal sein, dass Musiker im hohen Alter noch einmal vielleicht nicht zu Höchstformen, so aber doch zu beachtlichen Leistungen auflaufen können. Ich denke da zum Beispiel an Leonard Cohen oder Johnny Cash. Andererseits könnte auch z.B. ein Neil Young nie wieder von allen Seiten so gelobte Alben wie "Rust Never Sleeps" oder "After The Goldrush" einspielen, da eben die Umstände, die dazu geführt haben, dass diese Alben eben ganz speziell wurden, längst nicht mehr gegeben sind.
Schlimm wäre es dagegen nur, wenn man meint, es immer noch allen zeigen zu müssen und krampfhaft versucht, einerseits bei der jüngeren Generation zu punkten und gleichzeitig aber auch, an frühere glorreiche Zeiten anzuknüpfen, denn das kann nur schief gehen (siehe z.B. Madonna, Michael Jackson,...).
Ich würde auch nicht sagen, dass es ein ungeschriebenes Gesetz ist, dass 27 Jahre das richtige Alter für einen Musiker wäre abzutreten, sei es durch Tod oder dass er einfach aufhört. Sicher, der berühmt-berüchtigte "Club 27" (deren Mitglieder allesamt Musiklegenden sind, die im Alter von 27 Jahren starben, namentlich Brian Jones, Jimi Hendrix, Janis Joplin, Jim Morrison, Kurt Cobain und Amy Winehouse) ist weltweit in aller Munde, aber in all den Jahren vor Cobain's Tod sprach niemand von einem solchen Club und auch die Parallele bei des gemeinsamen Sterbealters von Jones, Hendrix, Joplin und Morrison von 27 wurde eigentlich immer nur beiläufig erwähnt.
Meiner Meinung nach gibt es nicht unbedingt eine Altersgrenze für das Abtreten von der musikalischen Bühne, aber schon einen gewissen Alters-Zeitraum, in der man seine Karriere startet. Ein Rockmusiker beginnt in der Regel zwischen 17/18 und 30 Jahren. Es gibt kaum welche, die ihren Durchbruch später haben. Als Beispiel für letzteres fallen mir gerade auch nur Ray Manzarek (Doors-Keyboarder und -Organist) und Leonard Cohen ein, der bei Veröffentlichung deren Debüt-Alben bereits 31, bzw. 33 Lenze zählten.
Bezüglich des Nachwuchses der nächsten Generation mache ich mir eigentlich auch keine Sorgen, solange es immer noch genug gute neue Musik gibt, brauchen wir da keinerlei Bedenken zu haben. Seit Beginn des neuen Jahrtausends gibt es da jedenfalls etliche gute Bands, die aus den USA oder dem UK zu uns aufs europäische Festland herüberschwappen und auch auf besagtem Festland selber gibt es etliches Hörenswertes. Ob man die Bands oder Interpreten nun mag oder nicht, sei dahingestellt, aber ich denke da zum Beispiel an Leute wie:
The White Stripes
The Strokes
Interpol
Eels
Adam Green
Coldplay
Keane
Kate Nash
Feist
Franz Ferdinand
The Libertines
Kaiser Chiefs
Maximo Park
Editors
The Futureheads
Arcade Fire
Arctic Monkeys
Badly Drawn Boy
Mando Diao
Get Well Soon
Phoenix
Devendra Banhart
Sufjan Stevens
Joanna Newsom
CocoRosie
Muse
Bloc Party
(The) Gossip
The XX
Florence & the Machine
Hot Chip
Death Cab For Cutie
Dave Matthews Band
Kings Of Leon
Sigur Rós
Fleet Foxes
Gut, im Prog-Bereich sieht es da in der Tat etwas mauer aus, wenn man vor allem vom Retro- und Neo-Prog absieht. Auch ein Steven Wilson erfindet das Rad dort nicht unbedingt neu. Lichtblicke sind, bzw. waren da aber für mich Bands wie The Decemberists, The Mars Volta oder ...Trail Of Dead, die eben nicht nur die alten Prog-Schemata aus dem Baukasten herunterleiern, sondern eben auch progressiv im eigentlichen Wortsinne sind.
Auch hierzulande macht es (zumindest mir) mit Acts wie Tocotronic, Element Of Crime, Blumfeld, Jan Delay, Wir sind Helden, Kante oder Die Sterne wieder richtig Spaß, deutschsprachige Musik zu hören. Jedenfalls mehr als in den 70ern und 80ern, wo man eben wirklich nur Udo Lindenberg, Rio Reiser, Westernhagen, Grönemeyer, Fehlfarben und vielleicht noch die Ärzte und die Hosen hatte.
Zumindest konnten sich all diese neueren Bands bereits einen Namen in der Musikszene machen. Schwierig ist es allerdings natürlich auch für sie heutzutage, sich einen Legendenstatus wie die oben genannten "alten Säcke" (nicht abwertend gemeint!!!
) zu erarbeiten, was nun mal an der allgemeinen zunehmenden Musikentwertung (weniger CDs und LPs, mehr Einzeltitel-Downloads, Schnelllebigkeit usw.) liegt. In naher Zukunft wird es wohl weniger Superstars/-groups oder gar Megastars/-groups geben. Dafür aber vielleicht eine größere Anzahl von talentierten Bands und Solokünstlern, die jeweils eine gewisse kleinere Fanbase bedienen, begeistern und inspirieren werden. Wäre sicher auch nicht das Schlechteste.
Aufgrund letzterem Gedankenabschnitt wird es sicherlich auch keine große musikalische Revolution mehr geben wie noch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und auch dort waren diese Revolutionen eigentlich nur große Medienhypes. Der klassische Rock'n'Roll hat einige Jahre gebraucht, um sich durchzusetzen, trotzdem wird er gerne besonders in Verbindung mit dem Jahr 1956, als König Elvis I. auf der Bildfläche erschien, als Revolution stigmatisiert. Auch die Beatles haben keinesfalls die (Mersey)-Beat-Pop-Musik erfunden. Punk gab es schon Ende der 60er von den Stooges, war also anno 1976/77 auch nichts Neues. Ebensowenig wie der Grunge, denn bereits in der zweiten Hälfte der 80er gaben Bands wie Dinosaur Jr., die Pixies und Hüsker Dü mal gleich an, wie die frühen 90er zu klingen haben. Auch Techno, House und Rave kamen nicht über Nacht.