Jethro Tull - A Passion Play (1973)
Verfasst: Sa 29. Aug 2009, 18:04
Jedes Album der Jethros hat unterschiedliche Stärken und Schwächen, wobei bei diesem die Stärken deutlich überwiegen und weil es einfach eins der genialen Alben von JT ist. Die ersten drei Alben waren bluesig-poppig und eher unbeschwert, Aqualung driftete wieder ins rockig-folkige ab, während mit Thick as a Brick und dem hier rezensierten Alben richtiger Prog geboten wird. Nach diesen beiden Alben ging es dann wieder in Richtung Folk; wobei nach einem grandiosen Livealbum die Musik für mich persönlich immer schlechter wurde.
Wie bei "Thick as a Brick" und vielen Mike-Oldfield-Sachen hat man es hier mit einem Tonträger mit zwei überdimensionalen Longtracks à ~21 Minuten zu tun. Gut, dass man sie nicht in unterschiedliche Sektionen geteilt hat, damit würde man nur den "natürlichen Zusammenhang" stören. Los geht's mit PP Part 1: nach einer Minute psychedelischen Effekten, Zirpen und Klopfen von Synthesizern und dissonantem verfremdetem Saxofongequietsche und Hammondklängen erklingt ein "frickeliger", fanfarenartiger, jazziger Teil für Schlagzeug, Hammond und Synthi, Mike-Oldfield-esquer Gitarre, Flöte und Saxophon. Nachdem eines dieser dort vorkommenden Themen pfeifend wiederholt wird, wird es "tullig": Andersons - besonders hier - ausdrucksstarker Gesang, dezentes Klavier und Gitarrenbegleitung, wobei auch das hier komplexer als auch "Aqualung" klingt, und vor Allem melancholischer und düsterer, was v.A. durch den pessimistischen, aber genialen Text zu begründen ist. Alles zusammen klingt - musikalisch wie textlich - wie eine Fortführung von "My God" auf "Aqualung" zwei Jahre davor.
Frickelige Hammondorgel und ein Vibraphon leiten einen kurzen saxophonlastigen und freejazzigen Teil ein, wobei nach etwa einer halben Minute der akustische Teil wieder aufgegriffen wird. Wieder geht das ganze in einen Improvisationsteil über, der jedoch hier orgellastiger ist. Wie erwartet, wird es wieder akustisch. Diesmal klingt es eher nach klassischer Gitarrenmusik, begleitet von plingender Hammondorgel. Jetzt wird es richtig proggig: vertrackte Gitarren-, Bass-, Orgel- und Keyboardlinien erklingen und werden ab und zu von Andersons Gesang begleitet. Nach 12 Minuten - vom Anfang aus gerechnet - kommt auch noch eine rockige Flöte dazu, wie immer nach der guten alten Anderson-Manier gespielt. Man hört zwar überall sehr deutlich den klassischen Tull-Stil durch, wobei man an vielen Stellen auch an "Van der Graaf Generator" erinnert wird. Nach einiger Zeit wird es beinahe hard-rockig/bluesig. Anderson ist gesanglich in Hochform! So geht es dann auch bis zum Ende weiter.
Weiter zu "Part 2".
Jetzt geht es weiter: und zwar mit der "Story of the Hare who lost his Spectacles". Zu Orchestermusik trägt John Evan in englischer Art eine surreale Geschichte über einen Hasen, der seine Brille verloren hat, vor. Herrlich! Vor allen Dingen die zahlreichen Wortspiele und die Aussprache und Art des Vortragens sind ungemein komisch. Wer "The Wind in the Willows" kennt, könnte sogar auf die Idee kommen, dass die hier vorliegende Geschichte eine Art (liebevolle) Parodie von "TWitW" ist.
An seltenen Stellen hört man einzelne Instrumente der Bandmitglieder durch, die das Orchester dezent begleiten (Hammond und Saxophon erklingen manchmal). Nach einer kurzen rockigen Gesangseinlage Evans (!) geht es mit Synthesizer mit schneller Gitarrenbegleitung und Querflöte über. Die Synthesizerteppiche, die dort zu hören sind, lassen einen direkten Vergleich mit Mike Oldfields "Incantations" zu. Das klingt wirklich, als ob Oldfield sich ein Beispiel daran genommen!
Danach folgt ein Bandteil mit Hammond, Gesang, A-Gitarre und Schlagzeug, der einen an das Album "Aqualung" erinnert ("My God", "Wind-up" etc.). Wenig später kommt auch noch das Saxophon, der Synthi und die E-Gitarre dazu; es wird instrumental und "proggig/frickelig". Nach einem kurzen Hammond-Zwischenspiel hört man wieder nur noch Anderson singend und Gitarre spielend. Wenig später wird die Gitarre durch den Synthesizer abgelöst (d.h. Anderson wird nur noch von Synthi begleitet), dann kommt wieder die ganze Band dazu. Bombastische Hammondklänge erklingen, der Synthesizer plingt dazu, bis die Band wieder einsetzt und ein neues Thema beginnt, das wieder leicht psychedelisch/bluesige Klänge bringt: Anderson singt tief und chromatisch und brüllt ab und zu in die Aufnahme herein. Anstatt jedoch - wie es bei Peter Hammill mit VdGG der Fall ist - das Lied in einem Klangchaos inklusive furiosem Geschrei enden zu lassen, wird man - nach einer klassischen Gitarren-Bridge - in einen perkussiven Endteil geleitet, wobei auch die "klassischen Mike-Oldfield-Gitarren" nochmal einsetzen. Bevor alles in die - erlösende - Stille übergeht, fängt Anderson nochmal das "Passion Play"-Thema aus dem ersten akustischen Teil von Part 1 aus und lässt das Album - letztendlich - mit dissonanten Stakkato-Saxofonnoten ausklingen.
Wahrlich, keine leichte Kost. Aber auf jeden Fall - für Proggies - eine Gesunde! Mit diesem Album (und dem Vorgänger) waren sie - kurzfristig - auf gleicher Stufe mit den "Top 4" des Progs: "King Crimson", "Yes", "Genesis" und "ELP". Wie gesagt, die anderen Alben waren nicht wirklich schlecht, aber - bis auf den Vorgänger - weniger progverwandt.
Am besten vergleichbar ist das ganze Spielchen am Ehesten mit "H to He" oder "Pawn Hearts" von "Van der Graaf Generator".
Eigentlich, wenn man sich das Album genauer betrachtet, ist - rein musikalisch - kein großer Unterschied zu "Aqualung" etc. Nur: hier werden die rockig/bluesigen Sachen - wunderbar - in proggige und häufig auch jazzige Instrumentalteile eingebettet.
Der zweite Teil nimmt qualitativ nach dem ersten Teil ein wenig ab, da der erste Teil kreativer, spielfreudiger und proggiger klingt. Das würde die Note "4/5" ergeben. Hätte man die zwei Stücke andersherum veröffentlicht, wäre es eine glatte "5/5" gewesen.
ABER: der halbe Punkt für den Kultstatus (den das Album trotz der damaligen Kritiken verdient hat: es war immerhin auf Platz 1 der LP-Charts!!!) und der halbe Punkt für das Bonusmaterial werten das ganze ein gutes Stückchen auf: auf der CD findet sich nämlich ein Filmchen von der Ballettaufführung von der "Hare"-Geschichte. Denn, dieses Konzeptalbum über Tod und Leben nach dem Tod, wurde sogar als eine Art "Musical" aufgeführt. Herrlich, zu der ohnehin amüsanten Story den verkleideten Evan zu sehen, der mit den Tierfiguren und Tänzerinnen auf der Bühne herumtobt. An einer Stelle springt sogar Ian Anderson durch das Bild.
Daher: gut gemeinte, aber verdiente 5 Punkte! Für Progger: uneingeschränkte Kaufempfehlung (vor allen Dingen für die Van der Graaf und Genesis Fans)!
Wie bei "Thick as a Brick" und vielen Mike-Oldfield-Sachen hat man es hier mit einem Tonträger mit zwei überdimensionalen Longtracks à ~21 Minuten zu tun. Gut, dass man sie nicht in unterschiedliche Sektionen geteilt hat, damit würde man nur den "natürlichen Zusammenhang" stören. Los geht's mit PP Part 1: nach einer Minute psychedelischen Effekten, Zirpen und Klopfen von Synthesizern und dissonantem verfremdetem Saxofongequietsche und Hammondklängen erklingt ein "frickeliger", fanfarenartiger, jazziger Teil für Schlagzeug, Hammond und Synthi, Mike-Oldfield-esquer Gitarre, Flöte und Saxophon. Nachdem eines dieser dort vorkommenden Themen pfeifend wiederholt wird, wird es "tullig": Andersons - besonders hier - ausdrucksstarker Gesang, dezentes Klavier und Gitarrenbegleitung, wobei auch das hier komplexer als auch "Aqualung" klingt, und vor Allem melancholischer und düsterer, was v.A. durch den pessimistischen, aber genialen Text zu begründen ist. Alles zusammen klingt - musikalisch wie textlich - wie eine Fortführung von "My God" auf "Aqualung" zwei Jahre davor.
Frickelige Hammondorgel und ein Vibraphon leiten einen kurzen saxophonlastigen und freejazzigen Teil ein, wobei nach etwa einer halben Minute der akustische Teil wieder aufgegriffen wird. Wieder geht das ganze in einen Improvisationsteil über, der jedoch hier orgellastiger ist. Wie erwartet, wird es wieder akustisch. Diesmal klingt es eher nach klassischer Gitarrenmusik, begleitet von plingender Hammondorgel. Jetzt wird es richtig proggig: vertrackte Gitarren-, Bass-, Orgel- und Keyboardlinien erklingen und werden ab und zu von Andersons Gesang begleitet. Nach 12 Minuten - vom Anfang aus gerechnet - kommt auch noch eine rockige Flöte dazu, wie immer nach der guten alten Anderson-Manier gespielt. Man hört zwar überall sehr deutlich den klassischen Tull-Stil durch, wobei man an vielen Stellen auch an "Van der Graaf Generator" erinnert wird. Nach einiger Zeit wird es beinahe hard-rockig/bluesig. Anderson ist gesanglich in Hochform! So geht es dann auch bis zum Ende weiter.
Weiter zu "Part 2".
Jetzt geht es weiter: und zwar mit der "Story of the Hare who lost his Spectacles". Zu Orchestermusik trägt John Evan in englischer Art eine surreale Geschichte über einen Hasen, der seine Brille verloren hat, vor. Herrlich! Vor allen Dingen die zahlreichen Wortspiele und die Aussprache und Art des Vortragens sind ungemein komisch. Wer "The Wind in the Willows" kennt, könnte sogar auf die Idee kommen, dass die hier vorliegende Geschichte eine Art (liebevolle) Parodie von "TWitW" ist.
An seltenen Stellen hört man einzelne Instrumente der Bandmitglieder durch, die das Orchester dezent begleiten (Hammond und Saxophon erklingen manchmal). Nach einer kurzen rockigen Gesangseinlage Evans (!) geht es mit Synthesizer mit schneller Gitarrenbegleitung und Querflöte über. Die Synthesizerteppiche, die dort zu hören sind, lassen einen direkten Vergleich mit Mike Oldfields "Incantations" zu. Das klingt wirklich, als ob Oldfield sich ein Beispiel daran genommen!
Danach folgt ein Bandteil mit Hammond, Gesang, A-Gitarre und Schlagzeug, der einen an das Album "Aqualung" erinnert ("My God", "Wind-up" etc.). Wenig später kommt auch noch das Saxophon, der Synthi und die E-Gitarre dazu; es wird instrumental und "proggig/frickelig". Nach einem kurzen Hammond-Zwischenspiel hört man wieder nur noch Anderson singend und Gitarre spielend. Wenig später wird die Gitarre durch den Synthesizer abgelöst (d.h. Anderson wird nur noch von Synthi begleitet), dann kommt wieder die ganze Band dazu. Bombastische Hammondklänge erklingen, der Synthesizer plingt dazu, bis die Band wieder einsetzt und ein neues Thema beginnt, das wieder leicht psychedelisch/bluesige Klänge bringt: Anderson singt tief und chromatisch und brüllt ab und zu in die Aufnahme herein. Anstatt jedoch - wie es bei Peter Hammill mit VdGG der Fall ist - das Lied in einem Klangchaos inklusive furiosem Geschrei enden zu lassen, wird man - nach einer klassischen Gitarren-Bridge - in einen perkussiven Endteil geleitet, wobei auch die "klassischen Mike-Oldfield-Gitarren" nochmal einsetzen. Bevor alles in die - erlösende - Stille übergeht, fängt Anderson nochmal das "Passion Play"-Thema aus dem ersten akustischen Teil von Part 1 aus und lässt das Album - letztendlich - mit dissonanten Stakkato-Saxofonnoten ausklingen.
Wahrlich, keine leichte Kost. Aber auf jeden Fall - für Proggies - eine Gesunde! Mit diesem Album (und dem Vorgänger) waren sie - kurzfristig - auf gleicher Stufe mit den "Top 4" des Progs: "King Crimson", "Yes", "Genesis" und "ELP". Wie gesagt, die anderen Alben waren nicht wirklich schlecht, aber - bis auf den Vorgänger - weniger progverwandt.
Am besten vergleichbar ist das ganze Spielchen am Ehesten mit "H to He" oder "Pawn Hearts" von "Van der Graaf Generator".
Eigentlich, wenn man sich das Album genauer betrachtet, ist - rein musikalisch - kein großer Unterschied zu "Aqualung" etc. Nur: hier werden die rockig/bluesigen Sachen - wunderbar - in proggige und häufig auch jazzige Instrumentalteile eingebettet.
Der zweite Teil nimmt qualitativ nach dem ersten Teil ein wenig ab, da der erste Teil kreativer, spielfreudiger und proggiger klingt. Das würde die Note "4/5" ergeben. Hätte man die zwei Stücke andersherum veröffentlicht, wäre es eine glatte "5/5" gewesen.
ABER: der halbe Punkt für den Kultstatus (den das Album trotz der damaligen Kritiken verdient hat: es war immerhin auf Platz 1 der LP-Charts!!!) und der halbe Punkt für das Bonusmaterial werten das ganze ein gutes Stückchen auf: auf der CD findet sich nämlich ein Filmchen von der Ballettaufführung von der "Hare"-Geschichte. Denn, dieses Konzeptalbum über Tod und Leben nach dem Tod, wurde sogar als eine Art "Musical" aufgeführt. Herrlich, zu der ohnehin amüsanten Story den verkleideten Evan zu sehen, der mit den Tierfiguren und Tänzerinnen auf der Bühne herumtobt. An einer Stelle springt sogar Ian Anderson durch das Bild.
Daher: gut gemeinte, aber verdiente 5 Punkte! Für Progger: uneingeschränkte Kaufempfehlung (vor allen Dingen für die Van der Graaf und Genesis Fans)!