"Jam In The Dam VI" Festival Amsterdam 14.3. - 16.3.12

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DocFederfeld
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"Jam In The Dam VI" Festival Amsterdam 14.3. - 16.3.12

Beitrag von DocFederfeld »

So - wie versprochen folgt ein längerer Bericht über meinen Besuch in Amsterdam. Genauer gesagt folgen wohl mehrere Berichte, weil ich nicht drei Tage, vier Bands und gut 18 Stunden Musik in einem Rutsch abhandeln kann ;)
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Das JITD-Festival ist etwas besonderes - es gibt soweit ich weiß, keine andere Gelegenheit in Europa soviele amerikanische Jambands zusammen live zu erleben. Die Musikrichtung "Jamrock", als deren "Erfinder" die Grateful Dead gelten, war hier in Europa nie sonderlich populär. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass z.B. PHISH zum Jahreswechsel (28.-31.12.11) den Madison Square Garden in New York vier Nächte lang ausverkauft haben, während sie hier vielen Musikfans völlig unbekannt sind.

JAM IN THE DAM TAG 1

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Das Line up für das diesjährige Festival wurde schon vor einem Jahr bekannt gegeben. LOTUS waren mir bis dahin völlig unbekannt. Jedenfalls haben sie die virtuelle Latte mit einem sehr guten Auftakt am ersten Abend gleich sehr hoch gelegt. Ihre Musik, die man wohl als instrumentalen Funk mit Postrockeinflüssen beschreiben kann, ist sehr Synthesizer-lastig. Sie waren die einzige Band des Festivals, die teilweise zwei Keyboarder einsetzte. „Instrumental“ ist übrigens so zu verstehen, dass die Band zwar nicht singt, aber in einigen Songs werden gesampelte Gesangspassagen abgerufen. Sie spielten sich und ihr Publikum in 90 MInuten regelrecht in einen Trancezustand und haben mir sehr gut gefallen.

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MIKE GORDON vor so kleinem Publikum live zu erleben – „The Max“, der grössere Saal im Melkweg fasst gerade einmal 1500 Leute und war höchtens zu drei Vierteln gefüllt – war etwas besonderes. Seine Hauptband PHISH ist seit 1998 nicht mehr in Europa aufgetreten und ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben, jemals auch nur ein Mitglied einer meiner Lieblingsbands einmal live auf der Bühne zu sehen. Für GORDON war es das erste Solokonzert überhaupt in Europa. Seine aktuelle Band spielt seit vier Jahren zusammen. Seine Mitmusiker sind Scott Murawski an der Gitarre, Todd Isler (drums), Tom Cleary (keyboars) und Craig Myers (percussion). MIKE GORDON ist kein so begabter Songwriter wie sein Kollege Trey Anastasio von PHISH, aber er gehört sicher zu den Top 5 Bassisten weltweit und es ist einfach ein Vergnügen, ihm zuzusehen und zu –hören. Die Setliste besteht bei ihm immer etwa zur Hälfte aus eigenen Songs (am ersten Abend war auch der PHISH-Titel „Meat“ dabei) und aus Coverversionen wie z.B. „Sailin’ Shoes“ von Little Feat.

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MOE. haben dann zum Abschluss die übrigen Bands nocheinmal toppen können. Sie kamen kurz nach Mitternacht auf die Bühne und haben mit einem 50minütigen Jam (Zed Naught Z > Bearsong > Billy Goat > Zed Naught Z > Bearsong) losgelegt. Es war ein überragender Auftritt einer perfekt eingespielten Band.

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JAM IN THE DAM TAG 2

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Der zweite Abend begann für mich musikalisch im Oude Zaal (Fassungsvermögen ca. 700 Zuschauer) wieder mit einem überzeugenden Auftritt von LOTUS. Vorher gab es noch eine Autogrammstunde mit allen Bands außer MIKE GORDON und ich habe mir mein Moe.-Tourposter signieren lassen.

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Um 23 Uhr, mit leichter Verspätung folgte der Auftritt des DARK STAR ORCHESTRA, eine nahezu spirituelle Erfahrung. Ich hatte lange überlegt, ob ich mir überhaupt eine Coverband ansehen möchte, aber ich habe mich dann dafür entschieden. Genau wie ich durch „The Musical Box“ mit sehr viel Vergnügen die Musik und die Shows von Genesis aus den frühen 70ern durchleben durfte, so haben es DSO geschafft, mir das Gefühl einer GRATEFUL DEAD Show zu vermitteln. Der Unterschied zwischen „The Musical Box“ und DSO ist leicht durch den Unterschied zwischen den Originalbands zu erklären: Während Genesis auf der Bühne versucht haben, ihre Stücke möglichst jeden Abend 1:1 wie auf dem Album zu reproduzieren und ihre Setlisten auf einer Tour kaum verändert haben, haben die GRATEFUL DEAD in 30 Jahren niemals auch nur eine Setliste wiederholt und auch nie einen Song gleich gespielt. Entsprechend riesig ist die Auswahl für das DARK STAR ORCHESTRA. Die Band führt teilweise bestimmte alte GD Liveshows auf, teilweise werden aber auch eigene Setlisten konstruiert. Je nach Jahrzehnt und Besetzung spielt man mit ein oder zwei Drummern, mit einem oder zwei Keyboardern oder mit Backgroundsängerin. Die Musiker sind ertklassig. Der Keyboarder Rob Barraco hat lange Zeit bei PHIL LESH & FRIENDS gespielt. Der Gitarrist Jeff Mattson, der nicht nur das Gitarrenspiel von Jerry Garcia perfekt imitiert, sondern sogar fast genauso singt und aussihet, hat sowohl mit Phil Lesh als auch mit der Band von Donna Godchaux zusammengespielt. Umgekehrt hat BOB WEIR auch schon bei DSO mitgemacht. Es bestehen also durchaus Verbindungen zu den echten GRATEFUL DEAD. Am zweiten Abend hat die Band eine tolle eigene Setliste gespielt, u.a. mit Perlen wie „Box Of Rain“ oder „China Doll“ und sensationellen Versionen von „Bird Song“ und „Eyes Of The World“, die ich selbst von der Originalband noch nie so toll gehört habe. Ich glaube, dass ein Gelegentheitshörer der GRATEFUL DEAD nicht einmal bemerken würde, dass es sich hier um eine Coverband handelt. Rein musikalisch geht es fast nicht besser, der Sound war perfekt und die Spielzeit lag bei 180 Minuten.

Da ja die GRATEFUL DEAD hier im Forum noch am ehesten bekannt sind, poste ich die Setliste von DSO am zweiten Abend:

01 Cumberland Blues
02 Box Of Rain
03 Mississippi Half-Step Uptown Toodleloo
04 You Ain't Woman Enough
05 Mexicali Blues
06 Bird Song
07 Big River
08 Loose Lucy
09 Weather Report Suite >
10 Let I t Grow

11 Here Comes Sunshine
12 Let Me Sing Your Blues Away
13 Around And Around
14 Unbroken Chain >
15 Drums >
16 Space >
17 Eyes Of The World >
18 China Doll >
19 Unbroken Chain >
20 One More Saturday Night

21 Scarlet Begonias (w/ Keller Williams)

(- Original DSO Setliste im Stil der frühen 70er mit zwei Drummern –)

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DocFederfeld
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Re: "Jam In The Dam VI" Festival Amsterdam 14.3. - 16.3.12

Beitrag von DocFederfeld »

JAM IN THE DAM TAG 3

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Der letzte Abend war wohl der Höhepunkt des Festivals. MIKE GORDON kam mit seiner Band um 20:00 auf die Bühne. Er war glänzend gelaunt, hat mehr mit dem Publikum kommuniziert als zwei Tage zuvor und erneut ein gutes Konzert gespielt, u.a. mit „Mound“ von PHISH und Coverversionen von Beck und Alanis Morissette. Er hat sich auch sehr für den freundlichen Empfang in Europa bedankt. Ein paar deutsche Phishheads hatten ihn am Abend vorher vor der Halle getroffen und nachgefragt, ob PHISH nocheinmal in Europa touren werden. GORDONS Antwort war sinngemäß: „Wie man sieht, liegt es nicht an mir“. Man soll die Hoffnung nie aufgeben.

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Von 22 Uhr bis Mitternacht waren dann wieder MOE. an der Reihe. Bisher waren PHISH und GRATEFUL DEAD meine unangefochtenen Lieblingsjambands, aber wenn ich MOE. noch ein paar Mal live sehe, könnte ich meine Meinung glatt ändern. Der Auftritt war ja leider wieder „nur“ zwei Stunden lang, aber besser kann eine Band live einfach nicht mehr spielen. Dieses Mal kamen u.a. meine Lieblingssongs „Mexiko“ und „Lazarus“ sowie am Ende eine mitreissende Version von „32 Things“.

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Nach dem MOE. Gig bin ich in den Oude Zaal gewechselt, wo das DARK STAR ORCHESTRA zu Ehren des 40. Jubiläums der legendären Europatour das GRATEFUL DEAD Konzert vom 10. Mai 1972 aus Amsterdam gespielt hat. Ich habe gerade noch den letzten Song von Set 1 „Casey Jones“ erwischt und dann das komplette zweite Set inklusive der Bonuszugabe „Ripples“ um kurz vor drei Uhr nachts. Ich staune wirklich über die Energie der Musiker, die drei, drei bzw. vier Stunden gespielt haben. Alleine der Beginn des zweiten Sets (Truckin' > Drums > The Other One > Me And Bobby McGee > The Other One > Wharf Rat) ging fast 70 Minuten am Stück! Ich war schwer beeindruckt, aber konnte vor Müdigkeit auch kaum noch stehen.

Noch ein Wort zu KELLER WILLIAMS: Er ist ein sehr guter Gitarrist und ein sympathischer Musiker, aber was ich von ihm vorher gehört habe, hat mir weniger gefallen als die Musik der anderen Bands. Daher habe ich nur am zweiten Abend kurz bei ihm reingeschaut.

Zusammenfassend war das Festival in Amsterdam eine ungeheuer positive Erfahrung – glänzende Musiker, herausragende Konzerte, eine sehr entspanntes (aber überwiegend auch ziemlich vollgekifftes) Publikum und eine exzellente Organisation. Ich komme gerne wieder.

Insgesamt wurden in den beiden Hallen fast 30 Stunden Musik aufgeführt und es gab, soweit ich die Setlisten überblicke, nicht eine einzige Doublette, d.h. kein Song wurde zweimal gespielt.

Wie üblich durften die Taper mit Einverständnis der Bands ihre Anlagen aufbauen und soweit ich sehen konnte, wurden zumindest in der größeren Halle alle Konzerte mitgeschnitten. Das Konzert von MOE. vom ersten Abend ist inzwischen bei Archive.org verfügbar (http://www.archive.org/details/moe2012- ... 170.flac16). Der Taper hat auf Twitter angekündigt, dass er auch die anderen Auftritte von MOE., MIKE GORDON und zwei Konzerte von LOTUS mitgeschnitten hat.
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Re: "Jam In The Dam VI" Festival Amsterdam 14.3. - 16.3.12

Beitrag von JJG »

@ Doc - vielen Dank für die Beiträge, sehr interessant.
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SOON
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Re: "Jam In The Dam VI" Festival Amsterdam 14.3. - 16.3.12

Beitrag von SOON »

thx, für die vielen Infos und Eindrücke!
Ich habe auch schon andernorts Lobeshymnen über die laufende Moe.-Tour gelesen.
Das läßt die Spannung auf Samstag steigen! :D
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DocFederfeld
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Re: "Jam In The Dam VI" Festival Amsterdam 14.3. - 16.3.12

Beitrag von DocFederfeld »

Noch ein paar Hörbeispiele - nicht vom JITD, aber repräsentativ ;)

[youtube]ZvTUJjdcCfE&list=UU1_b5Ymd968D0uK9Q8tGYtw&index=1&feature=plcp[/youtube]
[youtube]oWPjoZn_aKM&feature=related[/youtube]
[youtube]PS8hzdVayHQ[/youtube]
[youtube]Abu6eTwTXWQ&feature=related[/youtube]

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DocFederfeld
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Re: "Jam In The Dam VI" Festival Amsterdam 14.3. - 16.3.12

Beitrag von DocFederfeld »

EDIT 27.3.12: Ich habe die Downloadliste noch erweitert und ergänzt:

Bei Archive.org (zum Reinhören oder Downloaden (FLAC/MP3)) gibt es fast alle bisherigen Auftritte von MOE. "Europe '12":

Amsterdam, 14.3.12
Amsterdam, 15.3.12
Amsterdam, 16.3.12
Seelow, 17.3.12
Bonn, 18.3.12
Paris, 20.3.12
Hamburg, 22.3.12
Plauen, 23.3.12
Lorsch, 24.3.12
Mailand, 25.3.12

Das Konzert aus London fehlt immer noch. Ich bin gespannt - wahrscheinlich erscheinen alle Auftritte noch bei LiveDownloads in Soundboardqualität.

MIKE GORDONS Auftritte kann man als Torrent (ohne Anmeldung) bei bt.etree runterladen:

Amsterdam, 14.3.12
Amsterdam, 15.3.12
Amsterdam, 16.3.12

Der Auftritt von LOTUS am 1. Tag des Festivals ist auch bei Archive eingestellt worden:

Amsterdam, 14.3.12
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