"Das Bessere ist des Guten Feind". Das hat schon Voltaire im 18. Jahrhundert erkannt. Ich habe in diesem Jahr sehr gute Konzerte von Steven Wilson, Motorpsycho oder auch jetzt von Archive gesehen. Aber diese Auftritte wurden einfach überstrahlt von Tom Petty & The Heartbreakers in Mannheim, dem fast vierstündigen Auftritt von Springsteen am 5. Juli in Paris und zuletzt von Radiohead im Oktober. Diese drei schaffen es derzeit locker in meine Top 15 der besten Konzerte überhaupt. So geht es mir bei Archive ein wenig wie topographic, der einen Tag vor Archive bei Wilco wartopographic hat geschrieben:Ich lauf der Band ja schon seit Jahren hinterher - und trotzdem war es meine erste Live-Begegnung. War schon ein klasse Konzert - allerdings klang Wilco vom Vorabend noch nach - und das war nun wirklich nicht zu toppen.Wilson hat geschrieben: Haben Dir Archive jetzt mehr oder weniger gefallen? Ich war gestern Abend auf dem Saarbrücker Konzert und wollte noch berichten.

So richtig zum Fan von Archive bin ich vor genau einem Jahr geworden, als ich sie erstmals live erlebt habe (Link). Damals, zum Abschluß der "Controling Crowds"-Tour, waren sie mit Symphonieorchester unterwegs und haben mich rundum überzeugt. Inzwischen gibt es ein neues Album ("With Us Until Your Dead") und eine weitere Veränderung im Line up der Band. Archive ist ja ein Projekt um die beiden Keyboarder Danny Griffiths und Darius Keeler, die seit 1994 zusammenarbeiten und immer wieder verschiedene Musiker und v.a. Sänger um sich herum scharen. Der Kern der Band ist aber in den letzten Jahren doch konstant geblieben: Steve Harris als Leadgitarrist, Jonathan Noyce (vorher Jethro Tull) am Bass und Smiley an den Drums waren auch im vergangenen Jahr dabei. Auch die Leadsänger Pollard Berrier, Dave Pen und Maria Q. sind seit Mitte der 00er mit dabei. Maria Q. war allerdings vor einem Jahr nicht mit auf Tour. Der sehr gut singende Rapper Rosko John ist auf dem aktuellen Album nicht mehr dabei. Neu ist dafür mit Holly Martin eine zweite Sängerin, die mit "Violently" und "Hatchet" auch die zwei besten Songs des neuen Albums singt.
Musikalisch hat sich Archive mit dem aktuellen Album wieder weiterentwickelt. Die ausgeprägteren Progelemente, die gelegentlich an Pink Floyd erinnerten, sind ebenso verschwunden wie die HipHop Einlagen. Mich erinneren die neueren Songs eher an die beiden letzten Alben von Radiohead oder an No-Man, aber der Sound von Archive ist trotzdem eigenständig geblieben. Auch beim Konzert standen die neuen, kürzeren Stücke ganz im Mittelpunkt - neun der neunzehn Titel stammten von "With Us...", dazu kamen noch zwei bisher unveröffentlichte Songs, die ebenfalls im gleichen Stil gehalten sind.
Die über fünfzehnminütigen Longtracks "Lights" und "Finding It So Hard" sind komplett von der Setliste gestrichen worden und auch der bekannteste Song "Again" wurde nur in einer gekürzten, akustischen Version gespielt. Solche gekürzten Songs sind nicht so mein Ding, aber "Again" fand trotzdem viel Beifall. Weitere persönliche Höhepunkte waren für mich "You Make Me Feel" und "Violently", sowie der Zugabenteil - und hier vor allem "Hatchet", "Controlling Crowds" und das wunderbare "Waste", das wohl überhaupt nur drei Mal vorher in der Konzertgeschichte von Archive gespielt wurde.
Optisch bot das Konzert wenig (wenn man mal von Holly Martin absieht


Archive sind in Frankreich sehr viel bekannter als in Deutschland und ich schätze, daß mindestens die Hälfte der Besucher aus unserem Nachbarland kam. Übrigens war auch die Vorband (ROBIN FOSTER) recht gut - sie spielten eine rein instrumentale Musik im Stil von "Explosions In The Sky" oder "Mogwai".
Insgesamt war es ein sehr gelungener Abend, wie gesagt, etwas überstrahlt durch die herausragenden Konzerte, die ich dieses Jahr schon erlebt habe, aber es ist wohl auch unfair, Archive an dieser Meßlatte zu messen.