Zwei wesentliche Dinge auf dieser Welt sind gute Freunde und gute Musik.
Wenn Künstler über viele Jahre ein hohes Niveau halten, dann werden an ihre neuen Alben und Konzerte besonders hohe Ansprüche gestellt.
Der Meister der Gitarre gehört genau in diese Gruppe. Pat Metheny legt nun mit seiner Unity-Band das zweite Album „Kin (<-->)“ vor und
besucht die Hallen der Welt. Inzwischen mit zwanzig (20!) Grammys dekoriert braucht man an seinem musikalischen Erfolg nicht zu zweifeln.
Dennoch gibt es im Net Leute, die seine Musik als Fahrstuhlmusik bezeichnen. Ein Konzert haben sie wahrscheinlich nie besucht und kennen
den Jazzgitarristen nur von seinen Filmmusiken oder Hits wie „This is not America“ oder „Last Train Home“. Das ist schade, denn das ist nur
ein kleiner Ausschnitt aus seinem Programm.

Die Namen seiner Band lesen sich wie die aktuell angesagten Musiker eines Jazz-Polls. Zunächst wäre da der 43jährige Chris Potter zu nennen,
der als Saxophonist bekannt ist, darüber hinaus mehrere andere Instrumente bedient. So greift er auch schon mal zur Gitarre oder erweitert
sein Saxophon-Arsenal um diverse Flöten. Dann Methenys langjähriger Wegbegleiter Antonio Sanches, der alles in sein Perkussion – und
Schlagzeug-Spiel integriert, was sich in der Reichweite seiner Arme befindet. Sanches ist ebenfalls 43 Jahre alt und wurde am selben Tag wie
Potter – dem Neujahrstag des Jahres 1971 geboren. Damit dürfte auch klar sein, warum das erste Unity-Album mit dem Stück „New Year“
beginnt. Die Rhythmus-Fraktion wird mit dem 28jährigen Ben Williams vervollständigt, der den Kontrabass bedient und auch mal zur Bassgitarre
greift. Seit dem letzten Album hat Pat die Band noch um den Multiinstrumentalisten Giulio Carmassi (geb. 1981) erweitert, der dem Album
diverse Instrumente + Stimme beisteuert, aber nur ca. die zweite Hälfte des Konzertes bestreitet.

Antonio Sanches, Pat Metheny, Chris Potter, Giulio Carmassi und Ben Williams
Konzerte genießt man besonders mit guten Freunden, in diesem Fall mit meinem langjährigen Freund Uli, der vor Jahrzenten Berliner geworden
ist und wir nun gemeinsam 100 Jahre auf dem Buckel haben. Natürlich sieht man uns das nicht an – lol.
Das Tempodrom ist gut gefüllt, es gibt kein Gedränge auf den Stehplätzen und man kann das Konzert auch von Sitzplätzen aus genießen.
Wir haben uns fünf Meter vor der Bühne aufgestellt. Im Publikum kann man auch prominente Künstler sehen, wie den Kabarettisten Tom Pauls
(ich hoffe ich bin keinem Doppelgänger auf den Leim gegangen) und auch eine meiner persönlichen Ikonen – Reinhard Fißler, den bekannten
Sänger der Stern Combo Meißen. Mit letzterem wechselte ich nach dem Konzert noch ein paar Worte, was nicht so leicht ist, denn er ist ja
durch die Erkrankung (ALS) eingeschränkt. Sehr erstaunlich, wenn man von so einem Mann vernimmt: „es geht immer weiter“.
Zu Beginn des Konzertes wird man in Englisch darauf hingewiesen, dass die Band keine Mitschnitte und Fotos wünscht. Letztere werden aber
ohne Flash respektiert. Also gelingt es auch mir, ein paar Schnappschüsse zu machen. Ich kann gut verstehen, dass Musiker nicht im Blitzgewitter
spielen wollen.
Pat betritt die Bühne und greift zur Akustik-Gitarre und verzaubert die Zuhörer mit dem Spiel seiner Finger. Er spielt glasklar, warm und webt
unendliche Melodien ineinander. Mich umfängt ein wohliges Gefühl. Dann greift er zur 42saitigen Pikasso-Gitarre und spielt „Into a Dream“.
Um man gelangt auch genau dort hin …
Dann betreten Sanches, Potter und Williams die Bühne und präsentieren Stücke des ersten Albums „Unity Band“ wie „Come and See“,
„Roofdogs“ und „New Year“ sowie ältere Stücke aus Pats reichem Fundus. So kann man vom grandiosen Album „80/81“ die Hommage an
Dewey Redman „The Bat“ und „Two Folk Songs“ hören, aber auch das sanfte „James“ aus der Zeit der ersten Metheny Group vom Album
„Offramp“. Dann die erste Ansage in der Pat die gespielten Stücke benennt, die Musiker vorstellt und ein paar Hintergründe erklärt. Das
in seiner gewohnten Art und Weise mit breitem Grinsen auf dem Gesicht. Zwischenzeitlich hat er verschiedene Gitarren verwendet und
bringt ein breites Klangspektrum ein. So kommen die Gibson ES-175 und die nach ihm benannten Ibanez PM Modelle als halbakustische
Gitarren zu ehren. Daneben verwendet er die akustischen „Bauwerke“ von Linda Manzer, die nylonbestückte Ovation, die Guild Dreadnaught
Cutaway mit Nashville Tuning aber auch den Gitarren-Synthesizer usw.
Chris Potter ist inzwischen ein namhafter Saxophonist und zählt zu den führenden Musikern der Branche. Dabei besticht er nicht durch ein
aufdringliches Spiel, sondern weiß sich in den Klangkörper der Band einzubringen. Wie im Jazz üblich bekommt er seinen großen Freiraum
und kann an exponierten Stellen ausbrechen.
Antonio Sanches spielt souverän und variiert die verschiedenen Drum-Sounds in den verschiedenen Taktarten. Er treibt das Spiel voran,
nimmt es zurück, kulminiert an den dramatischen Stellen und weiß Akzente und Pausen zu setzen. Auch er zählt sein Jahren zur Cremé
de la Cremé der Jazzmusik.
Pat integriert aber auch immer neue und junge Musiker, wie in diesem Fall Ben Williams, der eher introvertiert wirkt, aber wesentlich zur
Farbgestaltung der Songs beiträgt. Selten bricht er aus, hat aber viel Spaß mit den“ Alten“ zu spielen.
Guilio Carmassi wirkt ab der zweiten Hälfte des Set mit und die Erweiterung der Band um die Tasteninstrumente lässt neue Möglichkeiten zu,
die man auf dem aktuellen Album Kin (<-->) hören kann. So folgen im Set anschließend das Titelstück, mein Lieblingsstück des
Albums/Abends „Rise up“, sowie „Born“ und „On Day One“. Besonders „Rise Up“ ist eine musikalische Reise, die an die Höhepunkte von Pats
musikalischer Laufbahn mit Stücken wie „First Circle“ erinnert. Das Stück wird von Pats typisch amerikanischem Akkordspiel geprägt. Er
schafft eine „Landschaft“ auf der die Mit-Musiker ihre Bauwerke errichten können. Diese können dann abwechselnd in Hochgeschwindigkeit
oder relaxt durchfahren werden. Einfach nur grandios mit welcher Intensität die Musiker agieren. Im Laufe des Konzertes nimmt auch die
sichtliche Spielfreude zu – man spielt sich nicht warm sonder heiß.
Dann gibt es Duette mit Pat. Den Reigen beginnt Ben Williams mit dem Stück „Bright Size Life“ von Pats gleichnamigem Album, welches er
damals mit Jaco Pastorius eingespielt hat. Ben Williams steht dieser Ikone in nichts nach und Pat quittiert das Duell mit einem breiten Grinsen
und Bens Lächeln hält an.

Dann darf Chris Potter ran und zeigt sein Können im Duo mit dem Meister im Stück „All the things you are“. Mein Kumpel Uli ist in Trance,
so wirkt der eine Saxophonist auf den anderen …

Eine große Abwechslung folgt dann mit meinem Lieblingsstück aus dem sanften Repertoire von PM. „Dream oft the Return“ mit akustischer Gitarre,
Gesang und Keyboards. Leider muss ich hier Abstriche machen Meister Carmassi hätte hier den spanischen Text lernen müssen und nicht nur
in die Lauten intonieren dürfen. Trotzdem schön wenn auch eingeschränkt …
Zum Schluss das Duett mit dem „Schläger“ Antonio in Hochform, der sein Arsenal in allen Teilen traktiert, alle möglichen Klangfarben ausreizt
und sich mühelos in und zwischen den Taktarten bewegt.

Dann wieder die Band im Vollmodus und mit „Have you heard“ einer von Methenys Hymnen aus den 80ern. Ich hebe innerleich ab und schwebe.
Da soll noch einer sagen, dass sich der im Sommer 60 Jahre alt werdende Künstler nicht entwickelt hat. „Mein Ziel ist nicht Jazz, sondern Jazz
ist das Vehikel für mein Ziel“.
Unter Beifallsstürmen tritt die Band ab und muss sie später wieder betreten und tut das mit dem relaxten „Are you going with me?“. Ja das Publikum
ist mitgegangen und wie …
Wieder Applaus und Pat beendet das Set mit dem Zauber-Medley auf der akustischen Gitarre. Mit Variationen aus „Minuano (six/eight)“, „September 15th“,
„This is not America“ und „Last Train Home“ endet das fast dreistündige Konzert.
