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Focus Bergkeller Reichenbach 27.09.12

Verfasst: Sa 6. Okt 2012, 16:10
von Aprilfrost
Wer in den 70er Jahren mit Rockmusik aufgewachsen ist, wird an Focus nicht vorbei gekommen sein. Die Holländer, die mit "Hocus Pocus" ein Stück Musikgeschichte geschrieben haben, hatten ihre Hochphase in der Besetzung mit Jan Akkerman, Thijs van Leer, Pierre van der Linden und Martin Dresden. Irgendwie haben sie es geschafft, sich über die Jahrzehnte zu halten und every now and then auch mal ein Album aufzunehmen.
Im November wird ihr zehntes Album X erscheinen, das die Artwork von Roger Dean enthält und das sie auf ihrer Homepage und während ihrer Tour promoten. Am 27. September waren sie im Bergkeller in Reichenbach, und zwar in der Besetzung:

Thijs van Leer - Hammond-Orgel, Querflöte, Melodica und Gesang
Pierre van der Linden - Drums
Menno Gootjes - Gitarre
Bobby Jacob - Bass


Die letzten beiden könnte vom Alter her die Söhne der erstgenannten Bandmitglieder sein. Allerdings sahen Thijs und Pierre keineswegs alt gegenüber ihren Mitstreitern aus, was die Musikalität betrifft.

Donnerstag Abend, 19.30 Uhr.
Vor dem Bergkeller treiben sich ein paar sächselnde junggebliebene Jeansjackenträger herum, rauchen, trinken Bier. Die Delegation des neuen Yes-Forums bahnt sich einen Weg in den Veranstaltungsraum. Dort sitzt TvL bereits an den Tasten und beratschlagt die letzten Feinheiten mit den Technikern. Kurz darauf setzt er sich an den Tisch zur Tourcrew und widmet sich dem Abendessen, während sie auch mit den Einheimischen ein paar Worte wechseln. Um 20:00 Uhr sollte es los gehen. Aber wir haben uns ohnehin darauf eingestellt, dass sie nicht pünktlich anfangen werden.
Irgendwas fehlt ...

Genau! Wo sind die Fans? Bis halb neun haben sich etwa 25 zahlende Gäste eingefunden, und es wurden nicht mehr. Woran lag es? Vielleicht, weil Focus bereits 2011 dort abgerockt hatten. Oder weil so gut wie keine Werbung gemacht wurde. An der Band, die in den letzten Jahren von Polen bis Brasilien, von Italien bis Norwegen vor z. T. ausverkauften Häusern gespielt haben, lag es mit Sicherheit nicht.

Sollten die Focus-Leute von dem sehr kleinen Auditorium enttäuscht gewesen sein, haben sie es niemanden spüren lassen. Im Gegenteil. Gut gelaunt setzten sie an mit dem Klassiker "House of the King" aus dem Jahr 1972. Der Sound war optimal. Kein Hochreißen der Regler bis zur Schmerzgrenze, keine Übersteuerungen, statt dessen ein differenzierter Klang, der ausnahmslos jedes Instrument voll zur Geltung brachte.

Der Funke sprang von Anfang an über. Beeindruckend, zu welch Beifallstürmen ein so kleiner Zuhörerkreis fähig ist. Thijs van Leer nahm neben seiner musikalischen Darbietung gleich noch die Rolle des Moderators ein. Ansagen in deutsch oder englisch, kleine Erklärung zur Entstehung mancher Songs, Hinweise auf Neuigkeiten aus dem Bereich der Band und so weiter. Er hielt hervorragenden Kontakt zu den Fans, die gerade mal auf Armlänge um ihn und die anderen herum standen.

Hier ein paar Eindrücke, die das Feeling einer regelrechtgen Hausmusik wiedergeben:

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Die Setlist sah (Reihenfolge möglicherweise nicht ganz korrekt) so aus:

House of the King
Harem Scarem
Eruption
Sylvia
Hocus Pocus
Focus II
Aya-Yuppie-Hippie-Yee
De Ti O De Mi (Bobby Jacobs)
La Cathedral de Strasbourg
Le Tango (von X)
Victoria (von X)
Harem Scarem


Die Stücke hatten häufig eine Spieldauer von 10 bis 20 Minuten, so dass Focus insgesamt 2 Stunden und 5 Minuten spielten, die Pause von 20 Minuten nicht mitgerechnet. Alle Vier sind hervorragende Musiker an ihren Instrumenten. Am meisten beeindruckt war ich - ohne die Klasse der anderen schmälern zu wollen - von Pierre van der Linden, der die Drums präzise und virtuos bearbeitete.

Nach dem Konzert wurde Frau Annelies van Leer nicht müde, am Merchandise-Tisch CDs, T-Shirts und was es sonst bei solchen Anlässen zu kaufen gibt, anzupreisen. Die Band signierte bereitwillig alles, was man ihnen unter die Nase hielt. Auch Fotos fürs Familienalbum durften gerne gemacht werde. Nicht nur, dass sie fantastische Musik machen - nett und kontaktfreudig sind sie auch noch.
Das genaue Gegenteil eines überdimensionierten Stadion-Konzertes wird mir sicher noch lange in allerangenehmster Erinnerung bleiben.

Re: Focus Bergkeller Reichenbach 27.09.12

Verfasst: Sa 6. Okt 2012, 16:18
von JJG
Vielen Dank für den schönen Bericht!

Re: Focus Bergkeller Reichenbach 27.09.12

Verfasst: Sa 6. Okt 2012, 20:22
von SOON
Thx, Mr. Frosty [smilie=thumbsup.gif] Toller Bericht!

Ich bin zwar auch in den 70ern aufgewachsen, habe mich aber damals mehr für Schnuller interessiert. :lol:

Wie spielt eigentlich der Gitarrist? Im Stil von Jan Akkerman?

Die Setlist enthält wirklich das Feinste von Focus.
Harem Scarem wird 2 mal aufgeführt, gab's da 2 Teile?

Re: Focus Bergkeller Reichenbach 27.09.12

Verfasst: Sa 6. Okt 2012, 21:12
von JJG
Menno Gootjes ist ein außergewöhlicher Gitarrist. Er ist zwar noch nicht besonders bekannt,
wird von einigen Leuten bestaunt. Sein Bruder hat gestern bestätigt, dass er sehr viel übt und
an seinem Stil arbeitet. 2011 kam er mir im Bergkeller noch etwas schüchtern (an seiner Gitarre) vor.
In diesem Jahr hat er ein Solo gespielt, in dem er jazzige Elemente, harte Klänge und eine gute
Technik verbunden hat. Also Eigenschaften die man dem jungen Akkermann oder auch Fripp
zugeordnet hat.
Dabei kam es ihm nicht darauf, so schnell wie möglich so viele Noten
wie möglich in kürzester Zeit zu spielen. Er hat auch mit Effekten gearbeitet, die er aber nicht
durch zusätzliche Hilfsmittel, sondern nur durch Spieltechnik (u.a. Tapping), Regler und klassische
Gitarrengriffe erzeugt hat. Es war ein ungewöhnliches Solo, in dem er nicht große Gitarristen imitiert
hat, sondern dieses von eingenen Ideen gelebt hat.

Focus ist an allen Positionen sehr gut besetzt, weiß durch Spielfreude, Witz und sehr gute Interaktion
zu überzeugen.

Hier ist Menno mit Bobby Jacobs zu sehen:

[youtube]eaZoaooXx00[/youtube]

Re: Focus Bergkeller Reichenbach 27.09.12

Verfasst: Sa 6. Okt 2012, 21:59
von SOON
thx, werde mir auf jeden Fall auch die X anhören.