Ist ProgRock noch zeitgemäß?

Hier finden Diskussionen über Musik bestimmer Kategorien statt.
Benutzeravatar

Roland
Keymember
Beiträge: 2515
Registriert: So 6. Jan 2008, 15:20
Wohnort: Rheinkilometer 508, linksrheinisch
Has thanked: 4 times
Been thanked: 11 times

Re: Ist ProgRock noch zeitgemäß?

Beitrag von Roland »

Letzter Beitrag der vorhergehenden Seite:

DocFederfeld hat geschrieben:
Für mich ganz persönlich gilt allerdings, daß mich die Musik von Genesis, ELP oder Yes heutzutage weitgehend kalt lässt.
Meinst Du damit alle deren Werke aus heutiger Sicht, oder nur die neueren Kompositionen?

Topic author
Member X
Keymaster
Beiträge: 4630
Registriert: Fr 28. Aug 2009, 22:31
Been thanked: 1 time

Re: Ist ProgRock noch zeitgemäß?

Beitrag von Member X »

Quiet hat geschrieben:Zeitgemäß bedeutet, so wie das im Duden erklärt wird, einer bestimmten Zeit entsprechend, frei übersetzt könnte man vielleicht das auch als Mainstream bezeichnen und Mainstream war Prog-Rock, meines Erachtens nie, und heute schon gar nicht.
Der Begriff Fortschrittlich ist meiner Meinung nach auf die Musik überhaupt nicht anwendbar.Fortschritt bedeutet doch eine Verbesserung im Vergleich zu einem früheren Zustand.Eine bessere oder schlechtere Musik gibt es aber nicht, es gibt nur die Musik, die gefällt oder nicht gefällt..
Ich glaube auch nicht, daß die Möglichkeiten des Progrocks ausgeschöpft sind, ganz im Gegenteil, es gibt noch eine unendliche Menge an Musik, die noch nicht komponiert worden ist.
Mainstream: Wenn zu Konzerten einer Band in den 70ern bis in den 80ern zig Tausend bis über 100.000 Besucher pro Event kommen, so frage ich mich, was wenn nicht das sollte Mainstream sein? Die Albenverkäufe sprechen dieselbe Sprache. Und wenn man die hauptsächlichen ProgRocker zusammen nimmt dann war das damals einfach ein Mainstream.

Fortschritt: Es gab um die Entstehung und Entwicklung von ProgRock auf zahlreichen Gebieten Fortschritte und durch ProgRock auch in der Musik selbst. Ein Fortschreiten muss nicht zwingend "eine Verbesserung im Vergleich zu einem früheren Zustand" beinhalten, weil ja schon grundsätzlich fraglich ist, was eine Verbesserung darstellt, was schließlich vom Standpunkt abhängt. Fortschritt korreliert zunächst einmal nur mit der Neuheit.

Du sprichst von den "Möglichkeiten des Progrocks" isoliert, so dass ich es so verstehe, als dass für Dich ProgRock eine reine Kunstform ohne Zusammenhang mit kulturellen, sozialen, technischen, wirtschaftlichen etc. Umständen und Strömungen ist. Dann kann natürlich allgemein gesprochen musikalisch alles ausgeschöpft werden, was es überhaupt gibt, ohne dass ein Link z.B. zu Themen unserer Zeit zu finden sein muss.

Meiner Meinung nach kann man dann der Kunstform als solche Zeitlosigkeit zuschreiben, und sie ist unabhängig von zeitgemäßen Relationen. Das kann man natürlich so sehen, aber es wird ja jetzt auch keine klassische Musik mehr neu geschaffen, weil eben gerade der Zeitbezug nicht mehr passt oder gegeben ist. Ist die vielleicht doch nicht Zeitlosigkeit des ProgRocks ein Grund für das Ausdünnen quantitativ und qualitativ? Blues ist auch noch nicht tot, aber in seiner ursprünglichen Form und zu den seinerzeitigen Hintergründen existiert er (Gott sei dank - wegen den Hintergründen) nicht mehr. Das gilt auch für den Jazz und andere Musikformen, die eigentlich eine Bindung an IHRE ZEIT haben.

Ich finde die auf meine Frage aufgeworfenen und dazu eingebrachten Aspekte äußerst interessant und sie regen mich zum Weiterdenken an. Initiiert wurde meine Frage dadurch, dass ich gerade das Buch "THE MUSIC'S ALL THAT MATTERS" (siehe Literatur-Thread) zur Geschichte des ProgRock lese und darin viel über eben gerade die kulturellen, sozialen, technischen, wirtschaftlichen etc. Umständen und Strömungen geschrieben ist. Ob der Autor sich irgend wann auch mit meiner Frage befasst weiß ich noch nicht, mir kam meine Frage aber gerade schon beim Lesen dieser Hintergründe.
DocFederfeld hat geschrieben:Für mich ganz persönlich gilt allerdings, daß mich die Musik von Genesis, ELP oder Yes heutzutage weitgehend kalt lässt. Progressive Klänge, im Sinne von "Erkunden neuer Möglichkeiten" liefern für mich eher Radiohead, Portishead, Porcupine Tree und andere.
Kann man das nicht so verstehen, dass für die ProgRock der vergangenen Jahre nicht zeitgemäß ist (lässt Dich ja kalt) und dass Dein (zeitgemäßer) ProgRock nun von eher Radiohead, Portishead, Porcupine Tree und anderen kommt? Dann wäre ProgRock für Dich immerhin noch zeitgemäß, weil Du ihn ja für Dich heute findest, nur eben nicht mehr bei den früher geborenen Musikern, sondern bei den "zeitgemäßen" !!!

(Das entwickelt sich hier zu sowas ähnlichem wie einem Simultan-Schachspiel ;) )
Roland hat geschrieben:
DocFederfeld hat geschrieben:Für mich ganz persönlich gilt allerdings, daß mich die Musik von Genesis, ELP oder Yes heutzutage weitgehend kalt lässt.
Meinst Du damit alle deren Werke aus heutiger Sicht, oder nur die neueren Kompositionen?
Das halte ich gerade im Hinblick auf die Frage der Zeitgemäßheit (stimmt das Wort so?) in der Tat für eine wichtige Frage (siehe auch meine Befassung mit Doc's weiteren Standpunkten vorher, die ich für sehr hilfreich halte).
Roland hat geschrieben:
Quiet hat geschrieben:...ganz im Gegenteil, es gibt noch eine unendliche Menge an Musik, die noch nicht komponiert worden ist.
;) Saustarke Formulierung!
Aber auch sehr allgemeine Formulierung, der man entgegenhalten könnte, was ist denn dann überhaupt Musik, und, muss man Musik wirklich komponieren? Das Thema zu negieren oder zu umschiffen gibt weder Antworten noch bringt es wirklich neue Aspekte. Man kann natürlich jeden Begriff mit neuen Begriffen umschreiben und die neuen Begriffe wieder und so weiter. Das weicht aber bloß aus. Ich fand Quiet's Standpunkt bis auf diesen letzten Satz sehr gut, weil er eine klare Aussage hatte.
Benutzeravatar

Roland
Keymember
Beiträge: 2515
Registriert: So 6. Jan 2008, 15:20
Wohnort: Rheinkilometer 508, linksrheinisch
Has thanked: 4 times
Been thanked: 11 times

Re: Ist ProgRock noch zeitgemäß?

Beitrag von Roland »

soundmunich hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:
Quiet hat geschrieben:...ganz im Gegenteil, es gibt noch eine unendliche Menge an Musik, die noch nicht komponiert worden ist.
;) Saustarke Formulierung!
Aber auch sehr allgemeine Formulierung, der man entgegenhalten könnte, was ist denn dann überhaupt Musik, und, muss man Musik wirklich komponieren? Das Thema zu negieren oder zu umschiffen gibt weder Antworten noch bringt es wirklich neue Aspekte. Man kann natürlich jeden Begriff mit neuen Begriffen umschreiben und die neuen Begriffe wieder und so weiter. Das weicht aber bloß aus. Ich fand Quiet's Standpunkt bis auf diesen letzten Satz sehr gut, weil er eine klare Aussage hatte.
Mir gefiel sein Satz ganz unabhängig von diesem Thread. Manchmal hört man bei irgendwelchen dämlichen Intervies nämlich so Sätze wie:" Man kann nur noch abkupfern, wiederholen und leicht verändern, da eh schon alles komponiert wurde was man sich vorstellen kann." (Nena Kerner).

Topic author
Member X
Keymaster
Beiträge: 4630
Registriert: Fr 28. Aug 2009, 22:31
Been thanked: 1 time

Re: Ist ProgRock noch zeitgemäß?

Beitrag von Member X »

Roland hat geschrieben:
soundmunich hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: ;) Saustarke Formulierung!
Aber auch sehr allgemeine Formulierung, der man entgegenhalten könnte, was ist denn dann überhaupt Musik, und, muss man Musik wirklich komponieren? Das Thema zu negieren oder zu umschiffen gibt weder Antworten noch bringt es wirklich neue Aspekte. Man kann natürlich jeden Begriff mit neuen Begriffen umschreiben und die neuen Begriffe wieder und so weiter. Das weicht aber bloß aus. Ich fand Quiet's Standpunkt bis auf diesen letzten Satz sehr gut, weil er eine klare Aussage hatte.
Mir gefiel sein Satz ganz unabhängig von diesem Thread. Manchmal hört man bei irgendwelchen dämlichen Intervies nämlich so Sätze wie:" Man kann nur noch abkupfern, wiederholen und leicht verändern, da eh schon alles komponiert wurde was man sich vorstellen kann." (Nena Kerner).
Frau Kerner hat halt nur beschränkte Skills :mrgreen:

Max
Beiträge: 178
Registriert: So 20. Mai 2007, 13:00

Re: Ist ProgRock noch zeitgemäß?

Beitrag von Max »

Allerdings wird das langsam zu psychologisch.
Es kann eigentlich nie psychologisch genug werden. ;)
Gerade wenn aktive Musiker dabei sind, bieten sogar solche Endlosdiskussionen, die nie ein Ergebnis haben werden, psychologische Anstoßpunkte, die bei irgendjemandem eine neue Idee auslösen könnten.


Musik entwickelt sich, meiner Meinung nach, weiter durch:

a) Revolutionen (z.B. bedingt durch Technik) oder
b) Fusionen (die Verbindung vorher getrennter Genres).

Insofern ist das Konzept des Progressive Rocks gewisserweise eine Philosophie, die - wenn man ihr nachgeht - prinzipbedingt Fortschritt bringt, gerade bzgl. Punkt b).

Der Progressive Rock ist also immer zeitgemäß, solange das Genre des Rock beliebt bleibt.

Denn was sich, wie ich finde, beim Progressive Rock immer die Waage halten soll ist das Gewöhnliche und das Ungewöhnliche, besonders, damit man Hörern einen Anker schaffen kann; man kennt das vielleicht selber: wenn ein Künstler die abstrusesten Werke komponiert, erfüllt er zwar den Kunstanspruch im höchsten Maße, aber als Hörer fühlt man sich von dem Werk abgestoßen.

Und was tut dieser Anker?

Gibt es aber einen solchen Anker, an dem ein Künstler seinen Hörer in seine musikalische Welt ziehen kann, sind die Chancen höher, dass der Künstler seine Visionen auch erfolgreich verbreiten kann.
Und dieser Anker findet man daher auch erstaunlich oft auf den frühen Prog-Platten. "I Talk To The Wind" bei King Crimsons Debüt, der Anfang von "Looking For Someone" auf Genesis Trespass oder "Yours is No Disgrace" von Yes: zu dieser Zeit war unanstrengende Rockmusik angesagt, also mussten die Anker auch unanstrengend sein.
Da anstrengende Rockmusik zunehmend beliebter wurde, konnte auch ein Werk wie "Larks Tongues in Aspic" 1973 vergleichsweise berühmt werden.

Wenn wir heute also nach progressiver Rockmusik suchen, also Musik, die fortschrittlich ist, darf man also nicht auf die progressive Rockmusik der 1970er Jahre blicken (auch wenn diese, meiner Meinung nach, mit heutigem Alternative Rock als Anker, sehr fortschrittlich wäre), sondern sollte sich überlegen, was heute beliebt ist und welche Musik dem Beliebten etwas Ungewöhnliches hinzufügt. Ich nenne z.B. mal Joanna Newsom oder die Fleet Foxes, die in einer elektrifizierten Welt überzeugt akustisch bleiben und damit ein großes Spektrum ansprechen.

Wie schön einfach das alles wäre, wenn Musik nur die Abfolge von Tönen wäre.

Während ich bis hierhin fest davon überzeugt bin, dass ProgRock noch immer zeitgemäß ist und heutiger Musik gut stehen würde, gibt es auch einen Punkt, der mich die Frage auch mit "nein" beantworten lässt.

Situationen wie 1977 (Punk löst Prog ab) kann man mit meiner Vermutung nicht erklären.

Eine Beobachtung, die ich gemacht habe, ist dass Menschen, die einmal in einer unzufriedenen Welt gelebt haben, die interessantere Kunst machen.
Unzufriedenheit kann damit bedeuten: Ablehnung eines politischen Regimes (Absolutismus im 18.Jhd. oder die schwierige Nazi-Debatte der Nachkriegszeit), Hungersnöte/fehlender Wohlstand/Enteignung (Slave-Songs in Amerika), indirekt auch Subkulturen (Jazz) usw.

Heute ist man gesund und munter, gut versorgt und lebt in Stabilität, das ist alles sehr angenehm und missen möchte ich das keineswegs.
Aber eine Generation, die das Leben verändern will, macht tendenziell auch eher Musik, die etwas verändern will. Ist man zufrieden, bleibt man auch in der Musik gerne auf diesem gemütlichen Zustand sitzen, und in dieser Situation ist man momentan auch: wenn man mich fragt, was denn so die größte musikalisch-künstlerische Leistung eines Jahres ist, kann ich nicht oft eine konkrete Antwort geben, obwohl ich mich auch intensiv umhöre, was so für neue Werke von neuen Bands herauskommen.

Man mag sagen, dass auch ein neues SymphoProg-Album (das Yes/ELP/etc. nachempfunden ist), schön sein kann. Kann es, klar.
Aber dieses Gefühl: das ist ein Meisterwerk, sowas habe ich ja noch nie gehört, das ist eindeutig seltener geworden.
Es mag Musik geben, die noch nicht komponiert worden ist, aber mir fällt gerade keine ein (und das nicht nur, weil dieser Satz paradox ist).

DocFederfeld
Keymember
Beiträge: 1730
Registriert: Di 18. Aug 2009, 14:53

Re: Ist ProgRock noch zeitgemäß?

Beitrag von DocFederfeld »

Roland hat geschrieben:
DocFederfeld hat geschrieben:
Für mich ganz persönlich gilt allerdings, daß mich die Musik von Genesis, ELP oder Yes heutzutage weitgehend kalt lässt.
Meinst Du damit alle deren Werke aus heutiger Sicht, oder nur die neueren Kompositionen?
Ich meine die gesammelten Werke - das Zeugs der letzten 30 Jahre ist eh' unhörbar (mit Ausnahme von "Talk" und "90125").

Topic author
Member X
Keymaster
Beiträge: 4630
Registriert: Fr 28. Aug 2009, 22:31
Been thanked: 1 time

Re: Ist ProgRock noch zeitgemäß?

Beitrag von Member X »

Max hat geschrieben:
Allerdings wird das langsam zu psychologisch.
Es kann eigentlich nie psychologisch genug werden. ;)
Gerade wenn aktive Musiker dabei sind, bieten sogar solche Endlosdiskussionen, die nie ein Ergebnis haben werden, psychologische Anstoßpunkte, die bei irgendjemandem eine neue Idee auslösen könnten.
:roll: Die Korrelaton

Musiker Endlosdiskussionen psychologische Anstoßpunkte

finde ich höööööööööööööööööööchst interessant. Der Kausalität kann ich nicht folgen. und zustimmen kann ich ihr auch nicht.
Max hat geschrieben:Musik entwickelt sich, meiner Meinung nach, weiter durch:

a) Revolutionen (z.B. bedingt durch Technik) oder
b) Fusionen (die Verbindung vorher getrennter Genres).

Insofern ist das Konzept des Progressive Rocks gewisserweise eine Philosophie, die - wenn man ihr nachgeht - prinzipbedingt Fortschritt bringt, gerade bzgl. Punkt b).
Wieso ist a) nicht mindest genau betroffen. Revolution Fortschritt ist doch qusi per se schon eine zusammengehärende Paarung.
Max hat geschrieben: Der Progressive Rock ist also immer zeitgemäß, solange das Genre des Rock beliebt bleibt.
Dieser Kausalität kann ich wieder nicht folgen und auch nicht beitreten.

@ Max: Die "Waage und Anker" Philosophie (die sicherlich ein denkbarer Ansatz und zudem, wie Du schreibst, halt Deine Meinung ist) basiert auf der Betrachtung der Musik isoliert von den Einflüssen, die zu ihrem Schaffen führten. Das Genre wird nur aus ihrer Musik heraus definiert. Wie ich schon unten schrieb, kommt man da zwangsweise auf den "zeitlos"-Aspekt.
Max hat geschrieben:Situationen wie 1977 (Punk löst Prog ab) kann man mit meiner Vermutung nicht erklären.
Genau das passiert, wenn die Außeneinflüsse berücksichtigt werden:
1. Punk löst Prog ab
und
2. sowas lässt sich mit Deinem Standpunkt nicht erklären.

Das spräche ja dann doch dafür, dass die die Außeneinflüsse und die Wechselwirkungen davon mit der Musik doch zu berücksichtigen sind, und auch für Deine 2. These, dass nämlich dann Zeitgemäßheit auch irgend wann aufhört.

Solche Außeneinflüsse führst Du exemplarisch an:
Max hat geschrieben:Eine Beobachtung, die ich gemacht habe, ist dass Menschen, die einmal in einer unzufriedenen Welt gelebt haben, die interessantere Kunst machen.
Aber es muss nicht Vergangenheit sein ("gelebt haben") und Unzufriedenheit ist nicht der einzige Einfluss. Zudem gibt es entgegen Deinen weiteren Ausführungen heutzutage noch genügend Menschen, die unzufrieden sind, etliche davon auch ganz beachtlich. Also gibt es zumindest die Triebfeder "Unzufriedenheit" (wenn auch in Deinem Umfeld nicht) auch in den Gesellschaften der Industrienationen, wie auch in Schwellen und Entwicklungsländern.

Warum entsteht daraus nicht ProgRock? Oder, welche Art ProgRock entsteht daraus?

Du gehst dann noch auf einen zweiten Gesichtspunkt los:
Max hat geschrieben:Aber eine Generation, die das Leben verändern will, macht tendenziell auch eher Musik, die etwas verändern will.
Es gibt doch genügend, die etwas verändern wollen. Warum entsteht daraus nicht ProgRock? Oder, welche Art ProgRock entsteht daraus?

Damit unterstreichst Du auf jeden Fall, dass zumindest die Frage, ob ProgRock zeitgemäß ist, durchaus vernünftig ist. Nur Deine Ansätze halte ich nicht für bis zum Ende geführt.

Deine Rückkehr zur Betrachtung des Aspekts ProgRock als Kunstform werte ich so, dass Du doch eher dazu tendierst, dass eben die Musik für sich steht und zeitlos, also damit auch immer zeitgemäß ist.

Die Dialektik in Deinen Ausführungen zeigt mir jedenfalls, dass die Befassung mit meiner Themenfrage sehr intensiv zu einer kontradiktorischen Ausgangsbetrachtung führt. Ich halte das zunehmende greifen und begreifen der Gesamtthematik für wahnsinnig spannend. Danke schon mal für Euer Interesse und für alle Euere Beiträge bis jetzt und ich freue mich auf Die weiteren Überlegungen.

Topic author
Member X
Keymaster
Beiträge: 4630
Registriert: Fr 28. Aug 2009, 22:31
Been thanked: 1 time

Re: Ist ProgRock noch zeitgemäß?

Beitrag von Member X »

DocFederfeld hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:
DocFederfeld hat geschrieben:
Für mich ganz persönlich gilt allerdings, daß mich die Musik von Genesis, ELP oder Yes heutzutage weitgehend kalt lässt.
Meinst Du damit alle deren Werke aus heutiger Sicht, oder nur die neueren Kompositionen?
Ich meine die gesammelten Werke - das Zeugs der letzten 30 Jahre ist eh' unhörbar (mit Ausnahme von "Talk" und "90125").
Und wo ordnest Du Dich zeitlich selbst ein - von wegen "miterleben"? Welche Zeit hat Dich berührt, welche nicht? Besteht nicht eine Beziehung zur Musik dieser Zeit (nicht "muss", sondern "kann")?

Max
Beiträge: 178
Registriert: So 20. Mai 2007, 13:00

Re: Ist ProgRock noch zeitgemäß?

Beitrag von Max »

soundmunich hat geschrieben: :roll: Die Korrelaton

Musiker Endlosdiskussionen psychologische Anstoßpunkte

finde ich höööööööööööööööööööchst interessant. Der Kausalität kann ich nicht folgen. und zustimmen kann ich ihr auch nicht.
Dann warte mit der Bewertung doch bitte, bis du den Zusammenhang besser verstehst. ;)

Ich bin der Meinung, dass diese Art von Musikdiskussion absolut schwierig ist; mein Standpunkt zu diesen Themen ist und wird immer fehlerbehaftet sein, eben weil man die Musik nur zu einem kleinen Teil "verwissenschaftlichen" kann.

Mir fallen zwei Möglichkeiten ein, als Hobbymusikant/Musikinteressierter zu dieser Diskussion zu stehen:

a) ich resigniere von vornherein und denke nicht darüber nach, weil ich ja weiß, dass es kein Ergebnis geben wird.
b) ich denke über die Thematik nach, obwohl sich die Gedanken/Meinungen im Kreis drehen. Dabei beschäftige ich mich aber mit dem Thema, wodurch die Wahrscheinlichkeit wächst, dass ich indirekt - frei nach "Trial and Error" - irgendwelche Erkenntnisse gewinne. Die Endlosdiskussion über ein solches Thema gibt mir als Musiker also - egal wie richtungslos sie sein mag - Anstoßpunkte, die irgendwann - zufällig? - zu einer Erkenntnis führen können.
Wieso ist a) nicht mindest genau betroffen. Revolution Fortschritt ist doch qusi per se schon eine zusammengehärende Paarung.
Sicher ist es das.
Wäre a) aber unwichtig, hätte ich es auch nicht hingeschrieben. Du siehst hier eine Meinungsverschiedenheit, die es in der Art nicht gibt.

Bei der gezielten Betonung von b) wollte ich verdeutlichen, dass Fortschritt auch möglich ist, ohne dass technische Revolutionen vorhanden sind, nicht aber möglich ist, ohne dass man sich auf vorher Dagewesenes bezieht.

a) ist also eine "katalysierende" (also ggf. Fortschritt beschleunigende), b) eine notwendige und daher wichtigere Bedingung- meiner Meinung nach.
@ Max: Die "Waage und Anker" Philosophie (die sicherlich ein denkbarer Ansatz und zudem, wie Du schreibst, halt Deine Meinung ist) basiert auf der Betrachtung der Musik isoliert von den Einflüssen, die zu ihrem Schaffen führten.
Selbstverständlich.
Aber es muss nicht Vergangenheit sein ("gelebt haben") und Unzufriedenheit ist nicht der einzige Einfluss. Zudem gibt es entgegen Deinen weiteren Ausführungen heutzutage noch genügend Menschen, die unzufrieden sind, etliche davon auch ganz beachtlich. Also gibt es zumindest die Triebfeder "Unzufriedenheit" (wenn auch in Deinem Umfeld nicht) auch in den Gesellschaften der Industrienationen, wie auch in Schwellen und Entwicklungsländern.
Der Standpunkt, dass es Unzufriedenheit absolut nicht gibt, lässt sich sogar nicht in mein Posting hereininterpretieren.
u.a. schrieb ich davon, dass ich "nicht oft konkrete Antworten" auf die AlbumdesJahres-Frage geben kann.
Ich habe bewusst "nicht oft" geschrieben, da es solche Fälle auch gibt.

Zunächst muss Unzufriedenheit/Veränderungswille auch zusammen mit instrumentaler Fähigkeit zusammentreffen.
Dann muss auch derjenige in einem Rock-Umfeld aufwachsen.

Was oft daraus entsteht? Z.b.: Spannender Hip Hop mit nachdenklichen Texten, interessanten Klängen und viel Herzblut.

Unzufriedenheit gibt es natürlich immer. Situationen wie die 60er Jahre, bei denen eine Kultur von Künstlern und Querdenkern aus Unzufriedenheit Fortschritt/Alternativität aus Überzeugung zu ihrem musikalischen Ziel gemacht haben, verstehe ich aber doch als eine besondere Form, die es so heute nicht mehr gibt.
Das Tonträger-Kaufverhalten in den marktbestimmenden Ländern zeigt jedenfalls (in Form der Charts), dass sich der Geschmack verändert und (wertfrei gesagt, da auch Einfachkeit überzeugende Vorteile haben kann!) vereinfacht hat - im Vergleiche zu den 70er Jahren, wobei die genialen Charterfolge von Bands wie der Dave Matthews Band auch erkennen lassen, dass sich ein großes Interesse an klanglich bunter Musik offenbart.
Damit unterstreichst Du auf jeden Fall, dass zumindest die Frage, ob ProgRock zeitgemäß ist, durchaus vernünftig ist.
Warum sollte sie auch unvernünftig sein? :| ;)
Nur Deine Ansätze halte ich nicht für bis zum Ende geführt.
Sind'se ja auch nicht.
Ist aber auch gut so :) ; gerade bei sowas wäre es reizlos, wenn irgendetwas zu Ende gedacht wäre. Das ist dann so festgelegt, so verwissenschaftlicht, so wenig spontan.

Die widersprechen sich bestimmt auch an allen Ecken und Enden, aber in bestimmten Aussagen steckt - finde ich - doch etwas drin.
Deine Rückkehr zur Betrachtung des Aspekts ProgRock als Kunstform werte ich so, dass Du doch eher dazu tendierst, dass eben die Musik für sich steht und zeitlos, also damit auch immer zeitgemäß ist.
Den Satz lese ich schon recht oft von Dir und verstehe ihn nicht. :mrgreen:
Vielleicht sollte ich das, damit Deine Äußerungen nicht von mir missverstanden werden.

nochmal eine möglichst eindeutige Formulierung von mir; wahrscheinlich überlappt sie größtenteils mit Deiner Ansicht:



Der ProgRock, wie er in den 70ern klang, ist ein festes Genre. Sicher!

Unterscheiden wir doch einfach den "Progressive Rock" (fortschrittliche Rockmusik) von dem "klassischen Prog", einem Genre mit bestimmten Merkmalen, die für sich stehen.

Die *Art* "Progressive Rock" (nicht der klassische Prog) steht für mich immer in einem Wandel und kann sich jederzeit verändern, solange die *Gattung* des "Rock", unter der man den "Progressive Rock" einordnen kann, populär ist.

Def.: Dieser greift eben neue Technologien und vergangene Genres auf, um ein neuartiges Klanggebilde zu erzeugen, das Gewöhnliches und Ungewöhnliches verbindet.

Diese oben erwähnten vergangenen Genres sind dann vergangen, wenn sie längere Zeit nicht mehr populär gewesen sind.

Schauen wir mal, ob der Klassische Prog hier reinpasst.

Der "Klassische Prog" nahm hierbei gerne ausgefallene Keyboardinstrumente (->neue Technologie), Klassik und Jazz (->vergangene Genres/Ungewöhnliches), Rock/Pop (->Gewöhnliches) und machte sich so zu dem "neuartigen Klanggebilde", das Yes in ihrer eigenen Spielart auch gemacht haben.

also...
er passt.

Was zeigt das Ganze noch, wenn man die zeitliche Dimension mit einbezieht?

Dadurch, dass der "klassische Prog" schon lange abgeebbt ist (nach 1977 konnte er sich nie wieder zur absoluten Bekanntheit durchsetzen), kann man ihn nun auch als "vergangenes Genre" deuten.
Daher steht der klassische Prog dem Progressive Rock heute auch als Spielform zur Verfügung, die sich nun mit weiteren vergangenen Genres sowie dem heute gewöhnlicheren Genre-Anker (-> z.B. Metaleinflüsse) kombinieren lassen kann (z.B. bei Muse, die Postrock/ArtPop/Electronic/Alternative Rock verbinden).
Ich halte das zunehmende greifen und begreifen der Gesamtthematik für wahnsinnig spannend.
Ich begreife nicht weniger oder mehr als vorher, aber wenn sich an meinem Begreifen etwas ändern soll, dann in Richtung "mehr".
Spannend ist das Ganze auf jeden Fall. :)

BBQ.Master
Keymember
Beiträge: 1957
Registriert: So 24. Sep 2006, 13:41

Re: Ist ProgRock noch zeitgemäß?

Beitrag von BBQ.Master »

DocFederfeld hat geschrieben: Für mich ganz persönlich gilt allerdings, daß mich die Musik von Genesis, ELP oder Yes heutzutage weitgehend kalt lässt.
Komisch. Für mich ist diese Musik immer noch ein Traum.
"It's better to burn out than to fade away ...because rust never sleeps." - Neil Young

Bild
Benutzeravatar

Roland
Keymember
Beiträge: 2515
Registriert: So 6. Jan 2008, 15:20
Wohnort: Rheinkilometer 508, linksrheinisch
Has thanked: 4 times
Been thanked: 11 times

Re: Ist ProgRock noch zeitgemäß?

Beitrag von Roland »

DocFederfeld hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:
DocFederfeld hat geschrieben:
Für mich ganz persönlich gilt allerdings, daß mich die Musik von Genesis, ELP oder Yes heutzutage weitgehend kalt lässt.
Meinst Du damit alle deren Werke aus heutiger Sicht, oder nur die neueren Kompositionen?
Ich meine die gesammelten Werke - das Zeugs der letzten 30 Jahre ist eh' unhörbar (mit Ausnahme von "Talk" und "90125").
Mensch, Doc, jetzt bin ich irritiert! Du bist hier in einem Forum von Yes, den Urgesteinen der Prog-Rocker. Wir haben hier alle unsere speziellen Vorlieben, aber eines ist uns gemeinsam: diese wunderbare progressive Musik. Aber Dein Satz:"das Zeugs der letzten 30 Jahre ist eh' unhörbar ".......was gefällt Dir denn hier bei uns, wo wir uns alle ständig das unhörbare Zeugs reinziehen, das Du ja offensichtlich nicht magst?
Das ist keine böse gemeinte Frage. Bitte verstehe das richtig. Ich kann Dich nur momentan hier nicht richtig einordnen, unter uns "Proggies." :(

Versuche es doch bitte mal zu erklären. ;)
Antworten

Zurück zu „Genre“