
Die Bahnverbindung von Saarbrücken nach Paris ist eigentlich perfekt – für die fast 400km benötigt der ICE nur 110 Minuten. Daher war ich in den letzten Jahren häufiger in der französischen Hauptstadt. Dieses Mal war der Besuch ziemlich kurz – ich wollte nur zum Konzert von Waters fahren und am nächsten Morgen wieder früh zurück. Noch kürzer wurde der Aufenthalt durch unsere großartige Deutsche Bahn. Der Zug hatte satte 75 Minuten Verspätung, als er in Saarbrücken eintraf, so dass sich die eigentlich günstige Reisezeit natürlich fast verdoppelte. Außerdem war ich erkältet und etwas müde. Nicht die günstigsten Voraussetzungen für ein Konzert, aber ich hätte für kein Geld der Welt auf den Auftritt verzichtet.
Das Konzert war ein wunderbarer Abschluss meiner persönlichen „The Wall“-Minitour; sehr emotional und im Ganzen das schönste der vier. Ein wenig Wehmut war da, aber in erster Linie habe ich es einfach genossen, noch eine letzte Aufführung zu erleben. Ich hatte wieder eine andere Ansicht: Nach zentral weit vorne stehend (Arnheim I), rechts seitlich (Arnheim II) und fast zentral mitten in der Halle (Mannheim I), saß ich dieses Mal ganz hinten auf der Tribüne. Und dennoch war auch hier der Sound herausragend, nicht ganz so laut, aber sehr transparent und selbst hier kamen die quadrophonischen Effekte noch zum Tragen. Die Bühne konnte man dieses Mal aus einer Gesamtperspektive betrachten – natürlich waren die Musiker aus der Entfernung nicht mehr zu unterscheiden, aber die Show kam trotzdem ganz toll rüber und ich habe auch wieder neue Einzelheiten wahrgenommen.
In einem der vielen Interviews mit Roger Waters, die ich in den letzten Monaten gehört und gelesen habe, sagte er, dass es ein Ziel der Konzertplanung war, dass alle Zuschauer die Show genießen können , und ich kann wirklich bestätigen: Es ist ihm gelungen. Gerade auch im Vergleich zu der Tour von Genesis 2007, bei der man aufgrund der fehlkonstruierten Bühne aus seitlicher Perspektive die Videos nicht sehen konnte und bei der der Sound teilweise indiskutabel schlecht war, gewinnt „The Wall“ in allen Kategorien. Man kann Roger Waters ja so manche Charakterschwäche vorwerfen, aber sein Perfektionismus und Kontrollzwang haben für das Publikum doch viele Vorteile (wenn er es nicht gerade beschimpft oder bespuckt, aber diese Zeiten scheinen nun wirklich vorbei zu sein).
Es war insgesamt das dritte Konzert, das ich in Paris gesehen habe – nach Springsteen 2008 und U2 2010 und das Publikum ist wirklich das beste, dass ich kenne. Nirgendwo sonst ist die Atmosphäre so entspannt und gleichzeitig so enthusiastisch. Allein aus diesem Grund war mein letztes Roger Waters Konzert auch wohl das großartigste der Tour.
Musikalisch hat sich eine kurze Passage verändert – nach „Another Brick Pt. II“ wurde in Mannheim erstmals ein kurzes Instrumental angefügt. Inzwischen gibt es auch einen Text dazu. Der Song heisst (offiziell?) Jean Charles de Menezes und wirkt auf mich derzeit noch nicht so ganz passend. Waters scheint mir da nicht ganz konsequent zu sein, denn er hat ja andererseits auch auf „When The Tigers Broke Free“ verzichtet, das Stück, das im „The Wall“-Film nach „Another Brick I“ gespielt wird und nun auf der Reissue von „The Final Cut“ von hören ist – aber sei’s drum. Mich begleitet die Musik seit 30 Jahren und ich liebe sie noch immer. Der Höhepunkt war – wie immer – „Comfortably Numb“; Dave Kilminsters Solo treibt mir genauso die Tränen in die Augen wie das Original von Mr. Gilmour.
Waters bedankte sich mit einem „Merci Paris“ und einem „au revoir“ – „auf Wiedersehen“. Es wäre sehr schön, wenn es nicht das letzte Konzert von ihm war, dass ich erleben durfte.
Das letzte Mal ...?
