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Na da habe ich mich wohl ein wenig aus dem Fenster gelehnt... war ich gar subjektiv?  
 
Widerspruch muss sein, wo landen wir, wenn wir uns immer alle lieb haben? Doch zurück zu Coldplay und ihrem neuen Output und meinem Statement dazu. Ich muss gestehen, dass die Mannen gestern die Breitseite für mehr als ihre (für mich langweilige) Musik bekommen haben, aber wir sind ja alle nur Menschen.  
 
Mir ist es egal, wie Künstler leben, wie es mir grundsätzlich egal ist, wie irgend jemand lebt, solange es ihm und seinem Umfeld dabei gut geht, sprich, er keine soziale Not leidet. Nicht mehr egal ist es mir, wenn jemand in guten Verhältnissen lebt und das in den Vordergrund stellt. Doch ich schweife ab, geht ja um Coldplay und nicht um Politik und denen will ich sowas nicht unterstellen.
Ich habe nicht gemeint, dass ich mir die Scheibe nicht anhöre, weil ich glaube, dass Coldplay ihre Schäfchen im Trockenen haben. Pink Floyd hat auch alle Schäfchen im Stall und ich habe mir trotzdem eine Menge davon geleistet, nur mal so am Rande. Noch mal nebenbei: bei Floyd kann man sich auch wirklich gut einen Eindruck verschaffen, was ein Konzeptalbum ist. Genug der Boshaftigkeit, ich habe überzogen, das Konzept in Frage zu stellen, es wird sicher eines geben.
Mich ärgert etwas völlig anderes und das ist gestern wohl nicht wirklich zu Tage getreten. Um diese Mannen wird ein Hype gemacht, als käme der Messias um die Ecke. Also stelle auch ich mich in die Reihen des wartenden und erwartenden Volkes und harre der Dinge, die mir Kund getan werden sollen, in dem Glaube, ich könne etwas lernen. Nun hat dieser Marktschreier, der da anpreist, aber kalte Füsse ob der Massen vor seinem Auge bekommen und nimmt den Erwartungsdruck gleich wieder heraus, in dem er vom Ende kündet, bevor ich die Geschichte hörte. Wer sieht sich ein Fussballsspiel an, wenn er das Ergebnis kennt? Wozu kündet er vom Ende der Geschichte vor der Geschichte? Gut, das gilt für den Verkünder, nicht den Messias, möchte man meinen. Doch angemerkt: der Messias wurde im O-Ton mit dem Ende eingespielt, nimmt er also sich selbst den Erwartungsdruck von den Schultern? Warum tut er das? Ist er nicht überzeugt von seiner Kunde? Soviel zur Ankündigung.
Nun zu Coldplay gesamt. In diesem Radiobeitrag wurde mir Folgendes unmissverständlich und unzweideutig verkauft: Es ist ein Konzeptalbum und das erste dieser Art von Coldplay. Suggestiv wurde mir untergeschoben, dass man gerade das Rad erfand. (Mir schwillt schon wieder die Halsschlagader.) Nun weiss ich ja um das Gehabe der Marktwirtschaft und der Superlative, also lass ich von all dem Geredeten mal kräftig ab, doch die Ader will und will nicht abschwellen... 
Coldplay ist so sehr in aller Munde, dass sie es nicht nötig haben, ihre Werbung zu toppen, indem sie explizit ein Konzeptalbum ankündigen. Wenn sie sagen, dass sie etwas Neues verzapft haben, sind die Mainstreamsender auf Heavy Rotation damit. Wenn sie also so etwas mitteilen, dann muss es mehr sein, als bei Bands, die wirklich Werbung nötig haben. Wenn es mehr ist, als Einheitsbrei, haben sie es nicht nötig, vom Ende zu erzählen. Also frage ich mich, was sie damit erreichen wollen, denn um keinen Zweifel aufkommen zu lassen: dieser Beitrag war die Summe der Auszüge aus einem Interview und mich soll der Affe lausen, wenn der in seiner Grundform nicht das war, was die Band sagen wollte.
Weiterhin ärgert mich an dieser ganzen Geschichte, dass man mir verkaufen will, dass Coldplay eine neue, eine tiefere Phase beginnt und das verliert sein bischen Glaubwürdigkeit in jenem Moment, in dem die Spannung entladen wird durch sanftmütige Erklärung eines traumhaften Endes. Mich ärgert diese Unglaubwürdigkeit, die fehlende Ehrlichkeit. Coldplay hat sich bei mir ein Image aufgebaut, dass durch stille Töne eine gewisse demütige Haltung kennzeichnet, sie sind keine Schreihälse, keine Halbstarken. Sollen sie sanfte schöne Musik machen, bis in die Ewigkeit, sollen sie dabei verdienen, bis das Konto platzt, sollen sie dabei enthaltsam leben oder dekadent, das alles interessiert mich nicht. Aber bitte nicht so tun, als wolle man in eine völlig neue Ära eintreten. Wobei das Traurige ist, dass sie einen Marktstatus besitzen, der ihnen Experimente mehr als erlaubt, so man denn nicht am Kommerz klebt...
Weil ich den Mund so voll nahm und nicht beratungsresistent bin, werde ich mir die Scheibe in Gänze anhören und das auch mindestens drei mal, sofern ich sie mir irgendwo leihen kann, denn Schotter gibts dafür nur, wenn sie wirklich eine neue Ära erreicht haben. Villeicht steckt hinter dem ganzen Geschwafel von gestern ja der geniale Versuch, dem Mainstream soviel Geduld nahe zu legen, dass es für Konzeptalben wieder reicht, um damit eine Basis zu schaffen, auf der man durch konzeptionale Werke eine zum Positiven gerichtete Veränderung der Gesellschaft erreichen möchte, wer weiss, wer weiss...