Konzertbericht Nürnberg 2. November 2011
Meine Kinder fordern „Fly From Here“, kein Witz, das Album läuft nach dem Konzert rauf und runter in den Kinderzimmern.
Beide haben sich die Versionen aus meinem CD-Schrank ausgeliehen und meine Tochter will nun ein Bild der Band im Zimmer
aufhängen und das Album auf ihren MP4 –Player geladen haben.
Eines der schönsten Konzerte, die ich bisher gesehen/gehört habe fand in der Meistersingerhalle in Nürnberg statt. Es begann
mit dem grandiosen „Yours is no Disgarce“. Höhepunkt war dabei das Howe-Solo, indem er es im Mittelteil zu einer jazzigen
Nummer machte und zum Schluss alle Register seiner Fingerfertigkeit zeigte. Sehr positiv war die Chemie und Spielfreude der Band vom Beginn an.
Vorsorglich hatte ich eigentlich eine Packung Ohrstöpsel gekauft, denn fast alle Konzerte (aller Bands) der letzten Jahre waren viel zu laut.
Wie angenehm, in Nürnberg war der Sound während des gesamten Sets ausgewogen und auf klanglich hohem Niveau. Es geht doch!
Die zweite Nummer, „Tempus Fugit“, wurde durch Steves Akkorde auf der Fender eingeleitet und ein hervorragender Alan White
trieb die Band vor sich her. Von wegen Müdigkeit, Alan war gut aufgelegt, obwohl man sehr wenig von seinem Spiel sehen kann,
es wird alles durch seine „Batterie“ verdeckt. Ab und zu konnte man ihn auf der Videoleinwand sehen. Auch in diesem Punkt ein
ganz großes Plus an die Technik, alle Songs waren visuell umgesetzt und das mit Sachverstand und textlichem Bezug. Vielleicht
gibt es in diesem Zusammenhang mal ein schönes Video.
Dann wieder ein Yes-Klassiker: „I‘ve seen all good People“ und das sonst zurückhaltende Publikum klatschte mit und genoss Steves
portugisische Gitarre und den Satzgesang der verschiedenen Stimmen. An diesem Abend harmonierten vor allem Chris‘ und Benoits
Stimmen sehr gut.
Dann der erste Song vom neuen Album: „Life on a Filmset“. In Dresden war er für mich der schlechteste Song, in Nürnberg lief er
tadellos und für mich mit großer Freude, selbst die Übergänge der verschiedenen Passagen konnten überzeugen. Die Textzeile,
„Riding a Tiger“, bzw. deren Sinn erschließt sich mir bis heute nicht, dafür wertet die Gegenüberstellung der „dunklen“ und „hellen“
Songpassagen das Stück wieder für mich auf. Das ist ganz typisch Yes!
Dann der Yes-Klassiker schlechthin „And You And I“ und alle Augen sind auf den neuen Frontmann gerichtet. Benoit widmet ihn
den Menschen, die sie lieben, wo immer sie auch sind. Wie in Dresden war es ein Höhepunkt des Konzertes. Benoit singt nicht
nur die Gesangsmelodien sauber, nein auch das Gänsehaut-Feeling stellt sich bei mir ein. Dazu gibt es noch als optische
Untermalung das Innencover der „Close tot he Edge“ – LP mit kleinen Animationen zu sehnen. Einfach nur gut. Auch Geoff
taucht ganz tief in den Song ein und bringt seine Linien authentisch ein.
Dann darf Dr. Howe ran. Zuerst spielt er das Solo-Stück „Solitaire“, welches auch auf FFH zu finden ist. Ganz großes Kino dann
mit „Sketches in the Sun“. Unglaublich wie schwer dieses scheinbar einfache Stück zu spielen ist. Die Gilmours und Claptons
dieser Welt sollten diesem Mann mal auf die Finger schauen und versuchen auch mal Gefilde außerhalb ihrer ewigen Blues-Patterns
betreten.
Ein musikalischen und optischer Leckerbissen diesem Mann auf die Finger zu schauen, der Saal ist ganz leise, man
könnte eine zu Boden fallende Stecknadel hören.
Dann der Longtrack, die Suite vom neuen Album. Yes im neuen und alten Gewand, legen in diesem Tagen etwas Neues und ganz
großes vor, während sich andere große alte Bands nur im Back-Katalog wärmen. Ich war schon skeptisch ob die Band den Klang
und emotionale Tiefe dieser Geschichte auch live umsetzen kann. Die Antwort lautet: YES they can! Die Spielfreude, visuelle
Umsetzung und Darbietung waren herausragend. Klar manche Leser werden dem Die-Hard-Yes-Fan-JJG natürlich jede Objektivität
absprechen, aber die Band hat neue, ganz junge Fans gewonnen, die in diese Geschichte eintauchen wollen und sich darin wohlfühlen.
Das Konzert lohnt sich auch schon ausschließlich für dieses Stück! Für meine Frau war es das bisher beste Yes-Konzert.
O-Ton „Zum Glück wurden nicht wieder nur die alten Schinken gespielt, die neuen Stücke haben mir besser gefallen“.
Dann wieder zurück zu einem wundervollen Hit der Band aus den 70ern: „Wonderous Stories“. Und wieder Gänsehaut und einem
Chris der voller Inbrunst die Komposition seines Band-Mitgründers singt. Dann kommt „Into the Storm“ welches das Format für einen
Yes-Klassiker hat. Die Musiker fegen über die Bühne, auf allen Gesichtern der Band ein Lächeln und tiefste Zufriedenheit und ein
begeistertes Publikum bringen das Konzert langsam in den Schlussteil.
„Machine Messiah“ wird von vielen Prog-Metal-Fans als Lehrstück betrachtet …
Dann folgt noch „Starship Trooper“ in dem sich zuerst Chris, dann Geoff und Steve so richtig austoben können.
Alan bearbeitet seine Instrumente, dass es eine wahre Wonne ist und das Publikum stürmt an den Bühnenrand und
bewegt sich wie ich in ulkigen Bewegungen zum Rhythmus.
Als Zugabe noch „Roundabout“, wie so oft der Rausschmeißer, ja ein Song mehr hätte es schon sein können, dennoch
lese ich in den Gesichtern Zufriedenheit in den Reihen.
Alle die (doch) nicht nach Nürnberg gefahren sind, ihr habt ein großartiges Konzert verpasst und meine Familie und ich
waren dabei. Nun könnt ihr neidisch sein oder Desinteresse heucheln.