
Tracks:
1. Father Bachus
2. Focus 10
3. Victoria
4. Amok In Kindergarten
5. All Hens On Deck
6. Le Tango
7. Hoeratio
8. Talk Of The Clown
9. Message Magic
10. X Roads
Bisher war das Jahr 2012, aus meiner Sicht, nicht gerade mit einer großen Anzahl an hochwertigen Alben gespickt. Eine wohlige Ausnahme ist Focus‘
zehntes Werk „X“. Nach zwei herausragenden Konzerten, die ich in Uwe Treitingers Bergkeller in Reichenbach (Sächsisches Vogtland) in 2011 und 2012
besuchen durfte, gab es nun auch neues Material in Form eines neuen Albums. Nach fünf Jahren Wartezeit gibt es nun das offiziell zehnte Studio-Album
der Band. Das Warten hat sich gelohnt.
Seit zwei Jahren sorgt Menno Gootjes

Band. Für mich ist Menno eine der Entdeckungen der letzten zwei Jahre für mich. Gleich vorweg – die Fußstapfen des großen Jan Akkermann füllt er voll
aus. Der Opener des neuen Albums „Father Bacchus“ stammt aus seiner Feder und steht ganz in der Tradition dieser großen Band. Die Band rockt gleich
mächtig ab, dieser Song wäre auch ein guter Einstieg in ein Konzert der Band. Die Rhythmusfraktion ist hervorragend aufgelegt, es gibt kleine Breaks,
Hooklines gepaart mit lustigen Vokal-Einlagen und natürlich Querflöte und Hammond-Orgel. Was will man mehr – vielleicht noch ein Glas Wein?
Dann folgt das Stück „Focus 10“, ganz in der Tradition vergangener Alben gibt es auch hier ein selbstbetiteltes und aufsteigend nummeriertes der Stück Band,
welches sich mit den herausragenden Stücken Nr. 2 , 6 oder 7 messen kann. Markant für diese Stücke waren die wechselseitigen Melodien zwischen Gitarre
und Keyboards/Flöte, die meistens, wie auch hier, schwebend mit ausgefeilten Läufen glänzen können.
Für die meisten Songs des Albums zeigt sich natürlich Gründungsmitglied Thijs van Leer

auch für „Victoria“ welches den Geist der nach Frauen betitelten Titel, wie den Hit „Sylvia“, fortführt. Natürlich fragt sich der aufmerksame Leser und Focus-
Kenner, ob sich die Band nur in Selbstzitaten ergießt. Aber genau das weiß die Band nun zu verhindern...
Im Booklet wird Thijs van Leer „nur“ als Organist, Flötist und Sänger sowie als Verwender des Vocoders vermerkt. Dabei ist er auf den vorgenannten Stücken
sogar größtenteils als Pianist wirksam und kann als dieser auch in „Amok in Kindergarten“ überzeugen. Die Komposition lebt überwiegend als Jazzstück und
steht in dem traditionellen Bereichs dieses Genre sehr nahe. Vielschichte Melodien werden aufgebaut und die akzentuierte Spielweise von Pierre van der Linden

Übertrieben? Einfach mal zu den Konzerten gehen und sich selbst ein Bild machen und ein Ohr nehmen!
Was Focus schon immer zu einer bemerkenswerten Band werden ließ, ist die Integration von Chorälen. Dabei setzt Bandchef van Leer diese meistens auf humorvolle
Weise ein und macht sogar den professionellen Alpenjodlern mächtig Konkurrenz. Sehr ausdrucksvoll zu hören im Stück „All Hens on Deck“, was wohl als eine
Hommage an seine Nation zu deuten ist.
Im Stück „Birds come fly over (Le Tango)” tritt Ivans Lins als Gastsänger auf und weiß mit einer souligen Stimme zu überzeugen. Im Oktober präsentierte die Band
schon eine instrumentale Version dieses Songs in den Konzerten.
Auch das nachfolgende Lied „Hoeratio“ wird „besungen“. Hier bedient sich der Bandchef der lateinischen Sprache. Im Booklet sind aber auch die englischen Lyricsverzeichnet.
Als Komponist zeichnet sich hier Bassist Bobby Jakobs

In den Konzerten beweist Bobby, dass die Band an keiner Stelle schwach besetzt ist. Zusätzlich ist er auch für die Albumproduktion verantwortlich. Wenn ein Bandmitglied
auch Produzent ist, dann kommt meistens keine große Freude bei mir auf, aber auch hier wurde gute Arbeit geleistet. (Bei „Solo-Alben“ kann ich es respektieren, wenn
der Künstler auch die Produktion in die Hand nimmt, aber das nur am Rande.)
Lustig kommt auch „Talk of the Clown“ daher und kann auch als Kinderlied bezeichnet werden, denn es basiert auf einer einfachen Gitarre-Flöten-Melodie…
Im Anschluss folgt die einzige Fremd-Komposition des Albums „Message Magique“. Ben van der Linden schuf das Werk, welches im Schlagzeug-Stil an den guten alten
Max Roach erinnert, aber ganz typisch elegisch für Focus ist. Das Tempo ist stark vermindert und schafft viel Raum für atmende Töne. Auch kann hier wieder Pierre
van der Linden glänzen, denn in den langsamen Stücken zeigt sich die Qualität eines Drummers.
Einen würdigen Abschluss bietet dann „Crossroads“. Auch hier gilt: Name = Programm. Die Band rauscht durch die Spielarten zur Freude für Ohren und Herz. Bernice
van Leer steht am Mikrophon und macht einen guten Job im Bereich der Backing-Vocals für den Mastermind Thijs, der dieses Stück singt. Der Rest der Bandmitglieder
spielt sich gegenseitig die Melodien zu und das Album einer großen Band findet sein Ende, leider wird hier ausgeblendet.

Fazit: Ein anspruchsvolles und ambitioniertes Album eines guten alten Prog-Schlachtschiffes, welches an die großen Alben der 70er anknüpft, aber nicht ganz erreicht.
Mit Sicherheit ein Anwärter auf die Spitzenpositionen meiner persönlichen Top 10 in 2012.
9/10 Punkte.