Reeperbahn Festival 2013

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Eric
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Reeperbahn Festival 2013

Beitrag von Eric »

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Vom 25. Bis 28. September fand in der Hansestadt wieder das Reeperbahn Festival statt. Hierbei handelt es sich um ein internationales Musikfestival mit über 300 (!) Bands und Solokünstlern aus allen möglichen Ländern und allen nur denkbaren Musikrichtungen – von Rock, Pop und Alternative über Jazz, Folk und Blues bis hin zu Electronica, Hiphop, Weltmusik und vielem anderen mehr. Die Konzerte fanden an ca. 70 verschiedenen Locations – Kneipen, Bars, Clubs, Theater etc. – rund um den Hamburger Kiez statt. Neben der Musik gibt es ein buntes Rahmenprogramm aus Lesungen, Ausstellungen und vielem mehr, u. a. Shows mit den MTV-Legenden Ray Cokes und Steve Blame.

Dieses Jahr wollte ich mir das Spektakel mal wieder anschauen und war am Donnerstag- und Freitagabend zusammen mit einem Freund auf dem Kiez unterwegs.
300 verschiedene Acts – wie soll man da bloß auswählen? Die Namen der Bands und Künstler sagten mir fast alle gar nichts. Die einzigen mir bekannten waren die Hamburger Deutschrocker Kettcar (die Gerüchten zufolge auf dem Festival wohl das letzte Konzert ihrer Karriere spielen wollten), die Sängerin Birdy und der Schmalzbarde James Blunt. Die ersten beiden musste ich nicht unbedingt sehen, letzteren wollte ich mir auf gar keinen Fall antun :teufelgrins:. Somit blieben zahlreiche Unbekannte, aus denen es auszuwählen galt.


Auf der Website des Festivals (http://www.reeperbahnfestival.com) gab es zum Glück zu jedem Act eine recht ausführliche Beschreibung inkl. Youtube-Videos und links zu Hörproben. Die Tage vor dem Festival habe ich also recht viel Zeit damit verbracht, mich kreuz und quer zu hören. Schlussendlich habe ich über die zwei Tage verteilt insgesamt 12 verschiedene Acts angeschaut. Insgesamt war ich von den eizelnen Bands und Künstlern sowie von dem Festival derart begeistert, dass ich hier gerne etwas ausführlicher darüber berichten möchte.


Donnerstag, 26. September

Los ging es am Donnerstagabend am Spielbudenplatz mit der Schweizer Band Alvin Zealot. Das junge Quartett bot eine bunte, sehr gefällige Mischung aus Psychedlic, Pop, Folk und Indie mit einer Prise Experimental. Der Sänger fiel durch eine sehr angenehme Stimme auf. Ein wenig wie eine etwas rockigere Version von Snow Patrol. Leider gab es zu diesem Zeitpunkt nur ein kurzes, etwa halbstündiges Set. Ich hätte gerne mehr von der Band gehört. Zu späterer Stunde gab es noch ein längeres, etwa einstündiges Set, aber das überschnitt sich leider mit anderen Plänen von mir.
Jedenfalls war die Band ein sehr gelungener Auftakt. Ich werde mir bei Gelegenheit sicher nochmal ein paar Hörproben zu Gemüte führen.

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[youtube]r0R_oS8X1Ls[/youtube]
[youtube]LLjpe_lfqWI[/youtube]



Gleich im Anschluss ging es weiter in der Pooca Bar. Das ist eine ziemlich kleine Location, d. h., wenn die Band drin ist, ist der Laden eigentlich voll. Trotzdem haben sich irgendwie noch ca. 80 Leute reingezwängt, um der Band Colours of Bubbles aus Litauen zu lauschen. Diese boten erdigen Country-Indie-Rock, tanzbar, treibend, ein bisschen wie Kings of Leon, etwas „Tarantino-Feeling“ inbegriffen. Die Enge in der Pooca-Bar und damit verbundene dichte, intime Konzertatmosphäre haben ihr übriges getan. Das ist nicht so wirklich meine Musikrichtung, für den Abend hat es aber Spaß gemacht.

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[youtube]MLY8OUnUjZg[/youtube]
[youtube]Wqsvx9YRYmA[/youtube]


Danach gingen wir rüber zum Imperial Theater, wo wir auf eine endlos scheinende Schlange stießen, in dir wir uns einreihen mussten. Offenbar waren wir nicht die einzigen gewesen, die neugierig auf Ásgeir Trausti waren. Zum Glück konnten wir gerade noch zwei der letzten Sitzplätze ergattern. Wären wir ein paar Minuten später gekommen, hätten wir ein wahres Highlight (!) des Festivals verpasst. Der junge Mann ist (der Name deutet es schon an, ich weiß nicht genau wie man den ausspricht) ist Isländer und auch seine Musik kann man schon recht gut einfach mit dem Wort "isländisch" beschreiben, da sich Vergleiche zu z.B. Sigur Rós oder Björk schon aufdrängen. Ähnlichkeiten gibt es vor allem aber auch zu Bon Iver. Das wiederum liegt besonders an der samtweichen Stimme des Sängers, in die man sich am Liebsten wie in eine warme Decke einkuscheln möchte. Die Stimme trägt die Musik, die ansonsten mal von Gitarren und mal von Keyboards beherrscht wird (die Musiker wechselten von Song zu Song und spielten entweder gleich 4 Keyboards oder 4 Gitarren). Man kann das sicherlich auch einfach Singer/Songwriter nennen, manchmal ist es aber auch eher Electronica, Folk oder Indie-Pop. Auf jeden Fall Musik, die sich sehr gut auch mit geschlossenen Augen genießen lässt (auf der Bühne gibt es ohnehin nichts allzu Spannendes zu sehen). Die Texte sind mal auf englisch, mal auf isländisch. Auf jeden Fall eine ganz wunderbare Entdeckung und das vorläufige Highlight des Festivals. Das Album werde ich mir sicher zulegen!

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https://soundcloud.com/asgeirmusic
[youtube]T6_a5zjBM0c[/youtube]
[youtube]weyENZESVL4[/youtube]



Wir blieben im Anschluss einfach an Ort und Stelle und konnten uns so Top-Plätze für den nachfolgenden Act sichern: die norwegische Band Highasakite (und jetzt, da ich das Wort tippe, weiß ich auch endlich, was das bedeutet und wie man das ausspricht: High As A Kite, also „hoch wie ein Drachen“ heißt das). Optisch haben die Jungs und Mädels jedenfalls schonmal was hergemacht. Die beiden Sängerinnen an Zither und Keyboard im weißen Kleid bzw. Gewand, der Drummer mit punkiger, farbenfroher Frisur und der Gitarrist/Bläser (was war das? Eine große Trompete, eine kleine Tuba?) mit überdimensioniertem Bart (ist ja derzeit wieder in) und prolligem weißen Unterhemd. Wie das Instrumentarium bereits erahnen lässt, handelt es sich bei der Musik auch um etwas ausgefalleneres. In der Tat fällt es auch hier schwer, die richtige Schublade zu finden. Irgendwie ist das schon Pop, aber auch Folk, vielleicht auch ein bisschen Jazz ab und an. Auf jeden Fall melodiös, kraftvoll, treibend und durchaus ungewöhnlich. Etwas schade empfanden wir, dass das Theater bestuhlt war, zu der Musik hätte man gerne etwas tanzen wollen. Das hätte die ohnehin schon gute Stimmung bei dem Auftritt wohl noch etwas mehr angefeuert. Für meinen Geschmack war das etwas zu sehr „Blumenkinder-Musik“, aber für diesen Abend war das eine weitere willkommene Abwechslung zu meinen „gewöhnlichen“ Hörgewohnheiten.

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[youtube]7pwTmu2-YGU[/youtube]
[youtube]rtce-IX6I-4[/youtube]
[youtube]iHA75w_BCbQ[/youtube]



Als nächstes ging es in die Fliegenden Bauten (eigentlich wollten wir zu Cayucas ins Clubheim vom FC St. Pauli, waren dafür aber zu spät dran). Dort spielten Klaas Heufer-Umlauf (ja, das ist der von Joko & Klaas, Cirkus Halligalli) und Wir-Sind-Helden-Gitarrist Mark Tavassol mit ihrer Band Gloria. Hamburger Deutschrock mit leichten Melodien und intelligent-witzigen Texten. Klaas ist sogar ein recht guter Sänger! Ein guter Entertainer, der sein Publikum unterhalten kann, ist er sowieso! Musikalisch hat die Band das Rad nicht gerade neu erfunden, präsentiert ihre Songs aber auf eine charmante und sympathische Art. Es muss ja nicht immer extravagant sein, manchmal schmeckt auch gute Hausmannskost. Und die wurde hier handwerklich sehr lecker dargebracht.

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[youtube]uBnqHXiTEOI[/youtube]
[youtube]_I-OJBHcZn8[/youtube]
[youtube]cywvEWn208Y[/youtube]


Hiernach war uns zum Verschnaufen etwas ruhigeres, entspannenderes zumute. Genau das fanden wir im Jazz-Cafe in den Tanzenden Türmen, wo Sarah Ferri gleich auftreten wollte. Die Sängerin und Pianistin lässt sich wohl ganz gut als „jazzige Variante von Tori Amos“ beschreiben. Insgesamt wird da nichts Bahnbrechendes, wirklich Außergewöhnliches geboten. Aber die Dame hat eine sehr angenehme Stimme, bot mit ihrer Band (sie wurde begleitet durch einen Bassisten und einen Drummer)sympathischen Piano-Pop, Swing und Chanson und nach dem vorhergegangenen Konzertmarathon war das genau das richtige zum Ausklang!

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[youtube]v4qRmo6LASM[/youtube]

Das war der Donnerstag. Was für ein Konzertabend! Hier erstmal Cut, der Freitag folgt im nächsten Posting!
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Eric
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Freitag, 27. September

Beitrag von Eric »

Die Auswahl für den Freitag empfand ich deutlich schwieriger als für den Donnerstag. Gerade an diesem Tag spielten sehr viele Bands, die mich wirklich sehr interessiert hätten, leider gleichzeitig oder überschneidend. Für andere Zeiträume musste ich dann länger suchen, bis ich was für mich interessantes gefunden hatte. Ich hab mir zu gefühlt 100 Bands Youtube-Clips angeschaut und war eigentlich danach schon fix und fertig. Am Ende stand aber eine sehr gelungene (wie sich erst im nachhinein herausstellen sollte) Auswahl mit ausreichend Alternativ- und Ausweichmöglichkeiten (falls man mal in eine Location nicht mehr reinkommt oder man feststellt, dass die ausgewählte Band Mist ist, was tatsächlich nicht vorgekommen ist).

Wie schon an Donnerstag starteten wir wieder am Spielbudenplatz. Dort warteten 6 junge Dänen auf uns, die unter dem Namen Flod auftraten. Mit ihren weißen Hemden und Blusen wirkten die Jungs und Mädels ein wenig wie Konfirmanden. Statt Bibeln packten sie aber dann doch ihre Instrumente aus, und das waren neben den obligatorischen Bass, Drums, Keys und Gitarre auch Glockenspiel, Geige, Cello, Trompete und Posaune. Bunter als die Hemden war dann auch die Musik. Ohne sich von Nebensächlichkeiten wie erkennbare Songstrukturen oder auch nur klar zuzuordnende Stilrichtungen beeinflussen oder gar einschränken zu lassen, spielte und sang die Band lieber das, was sie glücklich zu machen schien. Besonders der Leadsänger hüpfte ausgelassen über die Bühne. Die Freude übertrug sich glücklicherweise auch auf das Publikum. Aber was genau war das nun? Pop? Rock? Folk? Weltmusik? Postrock? Einiges mutete asiatisch an, bisweilen wurde es ziemlich rockig, mitreißend, dann auch wieder elegisch und träumerisch. Ein bisschen Mogwai oder Sigur Rós klingt auch manchmal durch. Meines Wissens gibt es noch kein Album von er Band. Ich bin sehr gespannt, was da noch kommt.

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https://soundcloud.com/flodband
[youtube]Sp50e4OVEqY[/youtube]
[youtube]vUmUP7T0zQk[/youtube]


Im Anschluss wollten wir uns in der Prinzenbar eigentlich noch die zweite Hälfte des Alec Benjamin Konzerts anhören. Dort wurden wir wegen Überfüllung aber schon nicht mehr reingelassen. Also ging es weiter in den Kaiserkeller, wo Antimatter People ihren Auftritt hatten. Leider haben wir von dieser Band nur die letzten 4 Songs mitbekommen. Denn die waren wirklich gut! Der Leadsänger Yehan Jehan (heißt der wirklich so oder ist das ein Künstlername???) mit Pudelfrisur sieht aus wie ein reinkarnierter Syd Barrett. Und nicht nur optisch drängen sich Vergleiche zu den frühen Pink Floyd auf. Die Band spielt Psychedelic gemischt mit Rock und etwas HipHop, durchsetzt mit reichliche Keaboards und Gitarren. Ich bin sofort drauf angesprungen.

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https://soundcloud.com/antimatterpeople
[youtube]j_lawFC_y1U[/youtube]



Danach hatten wir genug Zeit, uns in aller Ruhe zu den Fliegenden Bauten zu begeben und uns gute Plätze vor der Bühne zu sichern. Der Soundcheck dauerte hier etwas länger. Als Anna von Hausswolff aus Schweden mit etwa 15minütiger Verspätung ihr Konzert begann, war die Halle/das Zelt proppevoll gefüllt. Anna von Hausswollf war einer der wenigen Namen, die mir sogar etwas sagten. Jedenfalls fordert mich Amazon seit Wochen auf, doch dringend ihr neues Album zu kaufen. Keine Sorge, hab ich ja nun auch gemacht (allerdings nicht bei euch, sondern direkt bei Anna :teufelgrins:).
Die Frau spielt Orgel, Kirchenorgel! (live durch Keyboards substituiert) und so ist das Konzert auch eher ein Oratorium. Aber die Frau singt auch – mit hoher, kraftvoller und ausdrucksstarker Stimme. Langhaarige Frau an den Tasten, das veranlasste meinen Kumpel zur Bemerkung: „Noch so eine T.A.T“. Dieses Akronym steht hier für „Tori-Amos-Tussi“ :p. Und in der Tat gibt es hier rein stimmlich auffällige Ähnlichkeiten, wie auch zu Kate Bush, musikalisch ist es allerdings doch etwas ganz anderes. Ihre Songs werden getragen von den dröhnenden Orgelklängen, begleitet von Gitarre, Percussion, Keyboards und Bass. Darüber schwebt engelsgleich Annas Sirenengesang. In den Songs passiert nicht immer wahnsinnig viel, es gibt lange Instrumentalpassagen, die weniger von besonders vielen Noten als vielmehr von der dröhnenden Klanggewalt der Kirchenorgel leben. Gerade live ist das wirklich beeindruckend, wie sich die Klangbilder zu drohenden Gewitterwolken und mächtigen Kathedralen auftürmen. Auf CD geht davon leider etwas verloren. Aber im Konzert fühlt man sich von dieser Klanggewalt wie weggeblasen. Anna war von der Größe der Location und vor allem der Anzahl der Besucher sehr überrascht, wie sie sagte. Vermutlich spielt sie sonst eher vor kleinerem Publikum. Auf den Zwischenruf aus dem Publikum „You are lovely!“ reagierte sie mit einem belustigten „oh thank you“ und einem leicht verlegenen, fast schüchternen Kichern. Sehr sympathisch!

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[youtube]1KwV_7V5-m4[/youtube]
[youtube]QbP--RsNj70[/youtube]
[youtube]uABaTw73PFU[/youtube]
[youtube]Fr9_3vHuoBA[/youtube]



In die Molotow Bar kamen wir im Anschluss wegen Überfüllung leider nicht rein, obwohl wir gerne die Band Yes Cadets gesehen hätten. Also entschlossen wir uns spontan, dorthin zu gehen, wo auf der Reeperbahn buchstäblich abends die Bürgersteige hochgeklappt werden: In den Mojo Club unter den Tanzenden Türmen (der Eingang in den unterirdischen Club ist tatsächlich ein hochgeklappter Bürgersteig). Dort spielten nämlich Lemâitre. Klingt französisch, tatsächlich handelt es sich um ein Duo aus Oslo (auf der Bühne waren sie allerdings zu dritt). Die Musik erinnert aber auch wieder an französische Electronic/Dance Acts im Stil von Daft Punk: Sehr tanzbare, elektronische Discomucke mit groovigen Gitarrenriffs. Der Mojo Club war auch der perfekte Ort für diesen Auftritt. Nach 20 Minuten ausgelassenem Tanzen mussten wir dann leider schon wieder weiter, weil wir doch mehr Lust auf den nächsten Act hatten. Aber Spaß macht diese Art von Musik auf jeden Fall! Der Bandname Lemâitre geht übrigens auf den belgischen Theologen, Astrophysiker und Begründer der Urknalltheorie Georges Lemâitre zurück.

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[youtube]skLfWOMaN1s[/youtube]
[youtube]6_TtYYiKi_0[/youtube]
[youtube]4kjpZ_sPxzc[/youtube]



Weiter auf der Reeperbahn ein Stück weiter runter ging es in Angie‘s Nightclub, wo die Sängerin Marla Blumenblatt mit ihrer Band auf uns wartete. Hier erlebten wir eine Zeitreise zurück in die 50er Jahre zu Rock ‚n‘ Roll, Wirtschaftswunder und Swing. Styling, Instrumente, Sounds und Texte – alles war perfekt auf Retro getrimmt. So sang das „Fräuleinwunder“ über Cornettoeis, blau-weiße Markisen, Grammophone und Kofferradios, manchmal besteht eine Textzeile auch einfach nur aus LaLaLa. Herrlich! Das alles mit einer herzerfrischenden Leichtigkeit und Luftigkeit, dass es auch authentisch rüberkam. Toll getanzt hat sie auch noch zur Musik, die sich irgendwo zwischen Conny Francis und Pulp Fiction bewegte. Eine wirklich große Sängerin stand da nicht auf der Bühne, aber das Gesamtpaket stimmte und sorgte für sehr gute Laune. Zu diesem Konzert hätte ich auch ohne weiteres meine Oma mitnehmen können. Es hätte uns wohl beiden gefallen.

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[youtube]ltg-lRqDS7E[/youtube]
[youtube]iuHxJl1wykg[/youtube]
[youtube]_pSQSowJe9U[/youtube]


Das letzte Konzert des Abends für mich fand am gleichen Ort statt. Die Band Oy hätte keinen größeren Kontrast zum vorherigen Act bilden können. Regelrecht außerirdisch! Anstelle von Mork vom Ork kam aber die Sängerin Joy von Oy :D mit ihrem Drummer. Musikalisch war das Erykah Badu goes Triphop mit einer Prise von Faithless und den Beastie Boys. Sowas habe ich noch nie live gesehen. Die Sängerin mit gewaltiger Afromähne spielte Keyboard, jonglierte mit Samples und machte regen und vor allem äußerst originellen Gebrauch von Looping Effekten. Und das mit einer spielerischen Leichtigkeit, als hätte sie seit ihrem 5. Lebensjahr nichts anderes gemacht Drei-, viermal die eigene Stimme geloopt und schon sang Joy mit sich selbst im Gospelchor. Gerne wurde die Stimme auch mal verfremdet, rauf und runter gepitcht oder durch den Vocoder gezogen. Der Drummer (in skurriler Maske und Gewand) legte wilde Rhythmen und Beats unter die wilden Songs, das Publikum tanzte sich langsam aber sicher in Ekstase. Joy stammt ursprünglich aus Ghana, ist aber in Deutschland und der Schweiz aufgewachsen. Sie singt dennoch mit starkem afrikanischem Akzent (wohl beabsichtigt) ihren Ethno-Funk. Das war der absolute Wahnsinn! Was für eine Energie, was für eine Leidenschaft! Ich fürchte, dass das auf CD nicht halbwegs den Effekt hat wie die Liveperformance, trotzdem werde ich mir wohl das Album besorgen, hier würde ich gerne nochmal zum Konzert!

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[youtube]B9BF2hd5Esc#t=30[/youtube]
[youtube]a-JVANcpBRs[/youtube]





Fazit
Wow, was für ein Marathon! Unterschiedlicher hätten die einzelnen Bands und Acts kaum sein können. Und entweder habe ich bei meiner Auswahl den „6er im Lotto“ gezogen oder das Festival war wirklich auf einem erstaunlich hohen Niveau – und das durchweg. Alles, was ich mir angeschaut habe, hat mir gefallen, einiges mehr, anderes vielleicht weniger, aber nirgendwo hab ich mich gelangweilt oder gewünscht, mich doch lieber für etwas anderes entschieden zu haben. Dabei habe ich bestimmt viele großartige Konzerte verpasst. Anstatt sich jeweils für das geringere Übel zu entscheiden, hatte man hier wirklich das Luxusproblem, das ständig ganz fantastische Bands gleichzeitig auftraten. Für meine jetzige Begeisterung ist sicherlich auch die Erwartungshaltung mit verantwortlich. Die ist natürlich um einiges geringer, wenn man sich eine Band anhört, von der man gerade mal ein oder zwei Youtube Videos gesehen hat, als wenn man ganz gezielt zu einem Konzert einer seiner Stars geht. Toll fand ich auch, die vielen verschiedenen Locations mal kennen zu lernen. Auch wenn man schon viele Jahre in Hamburg lebt, lernt man so doch noch einiges neues kennen. Weiterhin haben Konzerte in kleinen Clubs oder Bars doch eine ganz eigene Atmosphäre als in großen Hallen. Sehr viel intimer, direkter. Beeindruckend auch, dass die Bands jeweils immer nur knapp eine halbe Stunde Zeit hatten für Aufbau und Soundcheck. Das geht also auch, wenn es sein muss.
Mein musikalischer Horizont hat sich durch das Festival wider ein kleines Stück erweitert. Ich habe viele Sachen kennen gelernt, mit denen ich mich sonst vermutlich nie beschäftigt hätte. Nächstes Jahr werde ich bestimmt wieder hingehen. Es lohnt sich!
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Re: Reeperbahn Festival 2013

Beitrag von JJG »

Puhh ganz viel Stoff Eric, ja es lohnt sich auch zu Bands/Künstlern zu gehen, die man nicht kennt.
Vielen Dank für den schönen Bericht und die Tubes - auch viel Stoff.
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SOON
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Re: Reeperbahn Festival 2013

Beitrag von SOON »

Vielen Dank für diesen ausführlich Diskurs.
Teilweise war ich beim lesen etwas irritiert weil scheinbar die Bandnamen fehlten.
Es ist eigentlich schade, dass ein so riesiges Programm in nur 3 Tage gepresst wird.
Andererseits würden viele wahrscheinlich nicht extra wegen einem Newcomer hingehen.
Die von dir beschriebenen (mir unbekannten Bands) finde ich aber alle gut. (von den Tubes beurteilt)
Es ist wohl der Überraschungseffekt der hier die Leute anzieht.
In unsrer Gegend findet so was leider nicht statt. :(

Hätte ich auswählen können, hätte ich mich für diese entschieden:
65daysofstatic
Anna Calvi
Built To Spill
Efterklang
Naked Lunch
Okta Logue
Slut
The Low Frequency In Stereo
Tunng
Turin Brakes
Allerdings handelt es sich, außer vielleicht bei Okta Logue, nicht um Newcomer sondern um lange etablierte Indie-Bands.
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Eric
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Re: Reeperbahn Festival 2013

Beitrag von Eric »

Das war ein Formatierungsfehler, ich hab das eben mal korrigiert ;) (ich hatte das aus dem IT rüberkopiert, die Formatbefehle sind dort etwas anders :lol:)

Efterklang hätte ich auch gerne gesehen, die spielten aber leider Samstag, da konnte ich nicht. Low Frequency in Stereo hatte ich mir vorher probegehört, hatte da aber nicht so gezündet, zumindest nicht im Vergleich zur Konkurrenz um die Uhrzeit (weiß gerade nicht, was da parallel lief). Die anderen Namen sagen mir im Moment nichts mehr. Ich hatte mich allerdings auch nur mit den Acts für Do und Fr beschäftigt, das war schon mehr als genug.

So ein Festival ist jedenfalls eine tolle Möglichkeit, einfach mal in verschiedene Sachen reinzuhören. Man würde sonst ja nie auf ein Konzert einer Band gehen, die man gar nicht kennt. Hier macht man das dann doch, lässt sich dann drauf ein und kann wirklich Überraschendes erleben.

Demnächst ist in Hamburg ein Jazz-Festival: Über Jazz Festival, werde ich wohl auch mal reinschauen :).
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Re: Reeperbahn Festival 2013

Beitrag von SOON »

Eric hat geschrieben:
So ein Festival ist jedenfalls eine tolle Möglichkeit, einfach mal in verschiedene Sachen reinzuhören. Man würde sonst ja nie auf ein Konzert einer Band gehen, die man gar nicht kennt. Hier macht man das dann doch, lässt sich dann drauf ein und kann wirklich Überraschendes erleben.
Das gleiche meinte ich oben auch, man ist da etwas zu stark auf die etablierten Bands eingefahren.
Es wundert mich wirklich was es doch für eine lebendige Liveszene auch hier in D-Land gibt.
Ich habe letztens alle Konzerttermine, die mich interessieren würden, in den Planer meines Tablet eingegeben.
Da wären alleine in diesem Jahr noch über 25 Konzerte interessant aber realistisch sind vielleicht 5, die ich besuchen werde.
Eric hat geschrieben:
Demnächst ist in Hamburg ein Jazz-Festival: Über Jazz Festival, werde ich wohl auch mal reinschauen :).
Bei uns gibt es schon einige Jahre das "Enjoy Jazz Festival".
Das hat mich sehr stark an Jazz herangeführt, ich konnte noch viele "alte" aus der Gründerzeit erleben aber auch jüngere.
Kann ich nur empfehlen auch wenn es etwas Überwindung kostet.
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