Nichts läge mir ferner!
Ja klar, Alter, Krankheit stimmt. Deshalb ist man halt nicht mehr so schnell. Würde das aber merklich die Yes-Men
beeinflussen, dann würden sie doch nicht so viele Konzerte geben, oder? Manch junge Band kann sich davon eine Scheibe
abschneiden. Und klar die Jungs sind halt nicht mehr so schnell, aber selbst Anderson tourt auch ständig und
Wakeman macht Konzerte außerhalb von UK. Also auch noch alles im grünen Bereich für ein gutes letztes Yes-Studio-Album.
Anderson singt famos und hat mit "Open" einen guten Prog-Song geliefert und die Stücke mit Machajdik sind so
klasse, dass ich Gänsehaut bei Forumstreffen in Bretten hatte. Was Howe noch drauf hat, wird sich auf dem Trio-Album zeigen.
Man weiß ja heute, unter welchem Ehrgeiz und unter welchen Anstrengungen und Streitigkeiten Close to the Edge entstand. Die sind ja nicht zusammengesessen, haben bei ein paar Joints das Stück in Ruhe geschrieben und gesagt "cool, jetzt nehmen wir das mal auf!". Die waren getrieben durch den Wunsch nach Ruhm und Reichtum, das ganze Klima in der Szene damals war voller Ehrgeiz und es brachte auch Erfolg, Grenzen zu überschreiten, Neues zu schaffen, zu Experimentieren und den Hörer mit vogelwilden Sachen zu fordern. Das führte zu endlosen, teils hochkreativen Sessions, bei denen schon die damals jungen, hungrigen Musiker oft an ihre Grenzen gingen.
Jetzt ist das Leben großteils gelebt, eine beachtliche Karriere hat man gehabt, den Wandel des Business weg von der Kreativität hin zur Kalkulierbarkeit mitbekommen, die Auflösung der Strukturen des Business in den letzten Jahren erlebt und zudem die Gesundheit nicht allzuoft geschont. Man hat sich x-mal zerstritten, aber nicht mehr wegen der Frage, ob ein bestimmter Akkord besser Dur oder Moll sein sollte, sondern wegen Namensrechten, Lineups und Business-Kram. Anfang der 70er gab es für ne Handvoll dynamischer Jungmusiker nur eines: voll auf die Zwölf, alles rausholen und immer weiter mit größtem Einsatz. Jetzt sind es alternde, kränkelnde Männer, die sich fragen, wie sie ihre Restkarriere verwalten sollen und für neue Musik im Stile von Gates of Delirium oder Close to the Edge definitiv nicht mehr die Kraft haben.
Wo letztlich die Entwicklung hin geht, weiß niemand. Pink Floyd wollen es jetzt noch mal wissen, KC gehen in die Offensive
und die Genesis-Fans halten sich auch an jedem Strohhalm fest.
Übrigens haben Keith Jarrett (69) und Charlie Haden (nächsten Monat 77!) auch noch ein tolles Album gemacht.
Pink Floyd veröffentlicht alte Aufnahmen, Genesis sollten sich heute besser nicht nochmal zusammentun, sondern ihr großes Erbe sorgfältig pflegen. Von KC erwarte ich noch am ehesten was richtig Gutes, was aber daran liegt, dass ein Fripp immer schon businessmäßig den Durchblick hatte, auf die Musik konzentriert war und mir einfach ein bisschen intelligenter als die Yes-Musiker erscheint. Jarrett und Haden sind Jazzer, die das Rockbusiness nie mitmachen mussten. Alte Jazzer gab es schon immer, alte Rocker eher selten, noch seltener GUTE alte Rocker, die nicht nur alle paar Jahre eine Aufwärm-Tour machen, sondern die noch relevante neue Musik von sich geben.
Aber falls meine Lieblingsband beschließt, mich Lügen zu strafen und uns nochmal ein dynamisches, packendes, ehrgeiziges Studioalbum um die Ohren haut, GERNE! Nichts wäre mir lieber, als dann zu sagen: schulligung, ich lag falsch, es geht DOCH noch.
Mir geht's auch nicht darum, das neue Album schlecht zu reden. Im Rahmen der 2014 gegebenen Möglichkeiten geht halt nicht mehr. Man kann ja schon allerorten was draus hören, also muss sich auch keiner betrogen fühlen und jeder kann entscheiden, ob er das kaufen will oder nicht. Ich hab's jedenfalls bestellt.