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Nun liegt es also vor, das neue Album von Yes, und nach zwei Durchläufen kann ich meine Meinung wie folgt zusammenfassen:Es ist kein außergewöhnliches Werk, aber bei Weitem auch nicht so schlecht, wie es von etlichen Leuten gemacht wird. Ehrlich gesagt verstehe ich nicht so ganz, warum das Album so viele negative, geradezu vernichtende, Kritiken einfährt, wobei interessanterweise die Reviews auf amazon.com doch etwas besser und ausgeglichener sind als die auf amazon.de. Auf amazon.com halten sich 5 Sterne und 1 Stern zur Zeit die Waage.
Was haben wir denn erwartet? Den weiteren musikalischen Meilenstein einer Band, die inzwischen seit 45 Jahren dabei ist und inzwischen fast nur aus alten Herren besteht? Warum sollten die sich noch mal neu erfinden? Haben sie doch schon bei ihren letzten Alben nicht, und die waren auch nicht schlecht.
Hatten wir eventuell die Hoffnung, ein „back to the roots“-Werk zu bekommen, weil ein neuer Sänger dabei ist und damit neue Impulse und / oder Ideen einfließen? Nein. Fakt ist, die Glanzzeiten von Yes sind vorbei, und das, was die Band in den Siebzigern zu Erfolg und Ruhm verholfen hat, wird sich nicht mehr wiederholen, das ist ein für allemal vorbei. Yes waren in den Achtzigern und Neunzigern immer wieder für die eine oder andere Überraschung, das eine oder andere kleine Highlight gut, keine Frage, aber was erwartet Fan denn von einem Album einer Gruppe überwiegend alter Herren im Jahr 2014? Musikalisch wurde offenbar schon alles gesagt.
Meine Erwartungen waren nicht hoch gesteckt, von daher wurden sie auch nicht enttäuscht. Ich fand bereits „Fly From Here“ ein schönes, solides Album mit guten musikalischen Ideen, abwechslungsreich, ansprechend, ohne wirklich der Überflieger zu sein.
Mit „Heaven and Earth“ ist es jetzt genauso. Es ist ein easy listening-Album mit dem einen oder anderen anspruchsvolleren, vertrackteren Moment; bestückt mit unaufgeregten Songs, die gefällig sind, nett anzuhören, ohne den Hörer zu sehr zu fordern.
Was ist daran aber so falsch, dass viele das Album regelrecht vernichten müssen?
Die Stärken des Albums sind meiner Meinung der erste und der letzte Song (das sehen offenbar viele genauso), nämlich „Believe again“, weil er von der Melodie und der Umsetzung her unter die Haut geht, berührend ist, „anders“ ist als die weiteren Songs des Albums (das trifft auch auf „Subway Walls“ zu).
Was ich dem Album ankreide, ist der Mangel an Abwechslung und dass fast alle Songs nach dem mehr oder weniger gleichen Schema und Tempo ablaufen. Ein richtig guter Pop- oder ein richtig mitreißender Rock-Song mittendrin wäre vonnöten gewesen, um das Album positiv aufzulockern.
Songs wie „Step Beyond“ oder „It Was All We Knew“ finde ich ein bisschen zu belanglos, das können Yes deutlich besser. Andererseits gefallen mir manche Abschnitte / Passagen in einigen Songs sehr gut, die sich manchmal erst nach mehrmaligem Hören erschließen, so z. B. Steves Gitarrenspiel in „A World of Our Own“ und die stimmungsvolle Einleitung und die Atmosphäre von „Light of The Ages“.
„Subway Walls“ ist mein persönliches Highlight, der einzige Song, auf dem Yes zeigen, dass sie Prog doch noch können. Gut durchdacht, gut durchkomponiert und vertrackt und verfrickelt genug, um als kleines, feines, wenn auch kurzes Prog-Spätwerk durchzugehen. Ein winziges Aufflackern der alten Klasse. Warum nicht mehr davon? Interessanterweise wurde der einzige angeproggte Song des Albums nicht von den großen, alten Herren geschrieben, sondern von Davison und Downes. Soll uns das was sagen?
Jon Davison gefällt mir auf diesem Album sehr gut, sein Gesang ist makellos und fügt sich gut ein. Geoff Downes bleibt zu sehr im Hintergrund und fällt kaum wirklich auf (da fehlen mir doch die spielerischen Ideen von Rick). Steve brilliert wieder in einigen Passagen, und Chris´ Bassspiel ebenfalls hier und da, vor allem in „Subway Walls.“ Und Alan? Ist eben Alan.
Ich mag das Cover von Roger Dean, vor allem den in Blau gehaltenen Hintergrund und die roten Akzente. Das bringt Leben in die Zeichnung und lockert sie auf.
Fazit:
Für mich ist das Album kein totaler Fehlschlag. Es ist auch nicht schlecht, vor allem nicht so schlecht, wie es von vielen enttäuschten Fans gemacht wird. Richtig gut ist es aber auch nicht, dafür ist es zu unspektakulär, zu wenig experimentierfreudig und abwechslungsreich und insgesamt zu seicht und unaufgeregt.
Es sind jedoch Songs, die Spaß machen, anzuhören, und die einem auch nicht „wehtun“.
Ein gute Laune-Album ohne Tiefgang, aber dennoch mit Herz und Spielfreude, das – aus einer Sicht – einfach Spaß macht. Und mehr möchte es vielleicht auch gar nicht.
Ich werde es mit Sicherheit noch öfter hören.
Dank an jeden, der sich meinen langen Sermon durchgelesen hat - ich habe versucht, meine Gedanken halbwegs zu ordnen.
Gruß von Mello (... kennt Yes erst seit 2008 ... )