12. Nov 2014, 15:11 » JJG hat geschrieben:Wenn man so manchen Floyd-Fans in den PF-Foren verfolgt, dann hört man oft sie wären das Original und die anderen Bands
nur die Kopisten. Ich sehe das ganz anders. PF waren eine psychedelische Band, die tolle Kollagen und daneben einfache
Songs schufen. Den Quantensprung machten sie ERST mit "DSOTM" in puncto Produktion und ausgetüftelte Gesamtwerke.
Sie verstanden es Großwerke nicht zu überborden und waren damit auch kommerziell erfolgreicher, weil deren Songs
einer breiten Masse zugänglicher war. Das haben sie verstanden. Gilmour und Wright haben auch ihren unverwechselbaren Stil,
ich sehe da aber über die Jahre kaum Entwicklung.
Alben von ELP, Genesis, Yes usw. fand ich viel spannender, da gab es für mich mehr zu entdecken. Die PF-Alben leben für
mich nicht durch tolle Ideen und verschiedener Stile wie die vorgenannten Bands das gemacht haben, sondern überwiegend
durch den guten Produzenten, den Einbau von Übergangssequenzen, Realitätszitaten und Songorientiertheit usw...
Ich mag es lieber wenn die Musik freier ist.
Das mag aber jeder für sich selbst beurteilen und ich möchte auch keine Diskussion "Meine Lieblingsband ist die Beste" lostreten
sondern nur meine Sicht der Dinge mitteilen.
Die oben genannten Diskussionen sind natürlich Blödsinn, auch wenn Pink Floyd ein paar Jahre früher auf der musikalischen Bildfläche erschienen sind als die anderen Bands. Sonstige Vergleiche sind es aber ebenso. Ich schrieb es ja schon einmal in diesem Thread, dass man Pink Floyd nicht mit den Prog-Bands vergleichen kann, auch wenn Floyd sicher progressiv im eigentlichen Wortsinne waren. Nicht umsonst war ich ja neulich wieder etwas genervt, als im Thread "Eure Top-5-Prog-Bands" Pink Floyd mal wieder von gewissen "Experten" in ihre Top 5 gewählt wurden. Ich zitiere mich da gerne selbst:
17. Feb 2012, 00:58 » Fragile hat geschrieben:Vergleiche zwischen Pink Floyd und Bands wie ELP, Genesis oder Yes finde ich immer etwas schwierig. Das sind zwei musikalisch völlig unterschiedliche Welten. Jede der genannten Bands ist auf ihre eigene Art absolut genial und unverwechselbar. Technisch gesehen haben Rick Wakeman und Bill Bruford vermutlich mehr zu bieten als Rick Wright und Nick Mason. Aber für die Musik von Pink Floyd ist das völlig unerheblich. Ich habe beim Hören von Pink Floyd musikalisch jedenfalls noch nie irgendetwas vermisst oder das Gefühl gehabt, dass irgendetwas nicht gut gespielt ist. Viele Floyd-Stücke haben so eine geniale Atmosphäre, dass da für mich keine Wünsche offen bleiben. Auch an den Kompositionen gibt es eigentlich nichts zu meckern. Die Floyd-Musik erreicht genau das, was sie auch erreichen soll. Deshalb sind komplexere Strukturen à la "Gates Of Delirium" oder "Close To The Edge" auch nicht erforderlich. Pink Floyd ist einfach ein Gesamtkunstwerk. Konzeptalben, Songs, Plattencover, Live-Show usw. ergeben einen ganz eigenen Stil, den man schlecht anhand von technischen Fähigkeiten oder Songstrukturen messen kann.
Der einzig erfüllte Anspruch für Progrock bei Pink Floyd ist wohl, dass es in ihrem Repertoire eine Menge Songs gibt, die gerne mal die 8-Minuten-Grenze überschreiten, aber das wäre es dann auch. Pink Floyd sind eher Art Rock/Psychedelic.
Und auch zwei Jahre später rücke ich da keinen Deut von ab. Kurz gesagt: Wer mit der gleichen Erwartungshaltung wie bei Yes, Genesis, King Crimson, ELP, Tull, etc. auch bei Pink Floyd herangeht, der irrt. Bei Pink Floyd ging es um etwas ganz anderes: Um eine gewisse Athmosphäre, Spontanität und auch eine Spur Coolness, die, sind wir doch einmal ehrlich, zumindest Bands wie ELP oder Yes nie hatten. Sicher sind die Pink Floyd anders als die anderen genannten Bands keine Virtuosen an ihren Instrumenten, aber das verlangt auch keiner der treuesten Floyd-Fans. Im Gegenteil: Wie sehr hätte es der Floyd-Musik geschadet, hätten sich die Musiker gegenseitig totgefrickelt, beispielsweise wie bei Dream Theater, die allein schon deswegen für mich wohl auf ewig unanhörbar bleiben.
Ich war im vergangenen Jahr auf einem Konzert der Tribute-Band "The Australian Pink Floyd Show", die zum Anlass des 40-jährigen Jubiläums von "Dark Side" das komplette Album dargeboten haben.Der Song "Time" ist für mich ein hervorragendes Beispiel dafür, dass ein Ausnahmemusiker und -komponist nichts mit Komplexität oder Virtuosität zu tun haben muss, im Gegenteil: der Beginn von "Time" (nach dem Weckerklingeln und Uhrengebimmel) besteht im Grunde aus nichts anderem als ein wenig Rumgetrommel auf den sogenannten Roto-Toms, einigen sparsamen Noten von Rick Wright und zwei Bassnoten, die das Ticken einer Uhr imitieren, und doch ist das Ergebnis überwältigend.
Nicht vergessen sollte man zudem, dass viele weltberühmte Musiker (Beatles, Abba, die Beach Boys, Rolling Stones) allesamt keine Virtuosen auf ihren Instrumenten waren. Und doch haben sie, vollkommen zu Recht, Legendenstatus erreicht. Oder würde man heutzutage Beethoven, Mozart, Bach, Haydn, etc. als überschätzt bezeichnen, nur weil sie die Musikgeschichte beeinflusst haben, ohne besondere Virtuosen oder gute Sänger ihrer eigenen Werke gewesen zu sein? Nicht falsch verstehen, ich mag Progressive Rock sehr gerne, aber ich denke, dass jeder, der sich einzig und allein auf diese "virtuose Musik" beschränkt, sehr viel verpasst.
Wie gesagt: Pink Floyd verfolgen einen völlig anderen Ansatz als die anderen genannten Bands, der solche direkten Vergleiche eigentlich komplett verbietet. Ein weiterer Grund dafür und auch, warum Pink Floyd wesentlich massenkompatibler sind und weltweit größere Bekanntheit haben als die anderen Bands, sind die Blueseinflüsse. Gerade David Gilmour hat den Blues, wie auch Eric Clapton, Mark Knopfler, Johnny Winter oder Joe Bonamassa komplett mit jeder einzelnen Faser verinnerlicht und spielt den mit fast jeder Note. Die Musik von Yes, ELP, Genesis, Crimso und Co. ist dagegen nahezu völlig Blues-frei und spricht daher weniger "den Bauch" an. Bei Genesis ist bestenfalls partiell in der Ära 1967-1970 Blues zu finden gewesen: die Genesis-Vorgängerband ANON mit Anthony Phillips und Mike Rutherford hatte sehr viele R&B-Coverversionen in ihrem Repertoire, auch die ANON-Eigenkomposition "Pennsylvania Flickhouse" ging in diese Richtung. Ebenso finden sich in "The Knife" oder "Lilywhite Lilith" finden sich noch Blues-Elemente. Mit dem Eintritt von Steve Hackett und Phil Collins gingen diese Einflüsse jedoch komplett verloren. Höchstens "I Can't Dance" mit seinem entsprechenden Gitarrenriff kann als einziger Song nach 1970 wieder mit Blues-Elementen aufwarten, aber dieser Song war und ist ja immer als nicht ernst gemeint und als Parodie anzusehen.
@Dreamtime: Da schau, bei war es umgekehrt, da ich Pink Floyd erst so richtig nach Yes entdeckt habe. Trotzdem mag ich beide Bands auf ihre Weise. Sowohl für Highspeed-Soli auf Keyboard und Gitarre, als auch Athmosphärische Orgelklänge und gefühlvolles bluesiges Gitarrenspiel bin ich stets offen. Mal mehr für das eine, mal mehr für das andere, es muss sich nicht gegenseitig ausschließen. Oder wie sagte schon der selige Diether Krebs: "Es muss schmegge, gell?"
