Wie gewöhnlich startet das Konzert mit Stravinskys Firebird Suite, vom Band abgespielt und am Ende mit Schlagzeugbegleitung von Alan White und Patrick Morazs Mellotron. Das geschulte Yesohr erwartet nun den Anfangsakkord von "Siberian Khatru", bekommt aber nach einer kurzen Mellotronbridge die rasenden Epianoläufe von Sound Chaser zu hören, das anlässlich der "Relayer"-Tour den Platz von SK übernommen hat. Während Moraz herumklimpert, haut Anderson wild in Whites Schlagzeug herum und bläst in ein Piccoloflötchen (ich dachte immer, das käme vom Synthesizer); die anderen bauen ebenfalls Spannung auf, bis das hetzende Hauptriff auf der Gitarre ertönt. Bei diesem Stück spielt Howe eine umgebaute Fender Telecaster, seine Gibson klang bei diesem härteren Stück wohl nicht klirrend genug. Musikalisch richtet sich diese Version sehr dicht am Original, aber wird überzeugend und gelungen dargeboten. Im Endteil, wenn Steve aber dann zur Slidegitarre geht, machen sich Soundprobleme bemerkbar: die Keyboards sind zu laut, während man die Slidegitarre nur über die Mikros der anderen hört.
Close to the Edge bekommt durch Herrn Moraz eine lockerere und jazzige Note. Diesmal ist die Gitarre und Andersons Rassel zu dominant, während die Hammondorgel sehr leise ist. Die Chorgesänge sind hier besonders akurat, während es bei der Yessongs-DVD da etwas Huddel gab. Sehr interessant auch die tickenden Synthesizer in "I Get Up I Get Down". Danach ist die Hammondorgel leider viel zu dominant und der Synthesizer verstimmt sich. Auch hier ist das Manko auch nicht die Musik, sondern der Sound. Dennoch eine sehr schöne Liveversion - anders als die anderen.
Weiter gehts nun mit To Be Over, dessen raffiniertes Arrangement auf der DVD sehr deutlich sicht- und hörbar ist. Hier ist Jons schrammelige E-Gitarre wieder zu laut - im Gitarrensolo ärgert mich das immer lauter werdende Geschrummele besonders: Steve spielt sich halb tot und man hört nichts. Ansonsten ist aber auch diese Version sehr schön.
Bei Gates of Delirium ist die Gitarre deutlich leiser und besticht auch hier durch Moraz tolles Keyboardspiel und den tollen Chorgesang. "Soon" hat statt Synthesizern die B3 im Hintergrund, eine schöne Variante. Sympathisch ist der kleine "Versinger" beim letzten Ton, den Anderson sofort selbstkritisch mit "shit" kommentiert.
Kommen wir nun zum Soloteil, der durch Your Move eingeleitet wird; hier dreht man Andersons Gitarre gottseidank herunter und Howes Balalaika hoch. Nach dem Spannung aufbauenden "is captured" rocken Yes nicht mit "All Good People" los, sondern lassen Steve Howe Mood for A Day spielen. Das nächste Stück ist Long Distance Runaround, dargeboten in einer wundervollen Akustikversion für drei Gitarren mit schönem Südseefler. Am Schluss blenden die Gitarren aus, Herr Moraz macht mit seinem Grand Piano Solo (incl. "Papillon" and "Grand Canyon") weiter, in dem er Boogieelemente mit Teilen aus Refugees (seine vorherige Band) Debutalbum verwebt, so zum Beispiel das barocke, schnelle "Papillon Theme" und das mächtige "Grand Canyon Theme". Nun darf nochmal Steve solieren und beendet die DVD mit einer schönen, teilweise auf den Korpus geklopften Version von Clap. Chris Squires gigantisches Basssolo findet sich bei Vol.2 des Konzertes und ist in "Ritual" eingebaut.
Weiter geht es mit And You And I, das in dieser Version richtig glänzt. Allerdings gibt es seitens Howe und Moraz einige kleine Verspieler, die jedoch eher lustig als störend sind. Der Gesang ist wie immer super.
Nach 11 Minuten ist das ganze leider vorbei, aber der nächste Knaller folgt schon: eine knapp halbstündige Fassung von Ritual, deutlich spektakulärer als im Studio, frickelig, proggig und "romantisch" im Gesangsteil. Anderson am Percussion ist ein lustiger Anblick - Moraz, der mit dem Lied - obwohl er als Komponist auf dem DVD-Rücken angegeben ist - doch seine Probleme hatte, meistert die Sache - und Chris Squire tobt sich hier richtig aus. An den Keyboards deutlich besser als mit Wakeman - der Höhepunkt der DVD.
Weiter geht es mit Roundabout: nachdem Moraz auf die Bühne stolpert und Howe ihm einen bildlichen Tritt in den Hintern verpasst, geht es los. Dieses Lied wirkte bei der "Yessongs"-Tour allerdings besser... trotzdem ist auch diese Version energiegeladen und schön gemacht. Am erfreulichsten ist es, diesen Track live einmal in tollem Klang zu hören. Allerdings ist die Bildqualität hier nicht so gut wie bei den anderen Tracks.
Mit Sweet Dreams schaffen es Yes, einen uralten Track, der in der Vor-Yes-Zeit entstand und auf dem Debut zu finden war, "up to date" klingen zu lassen. Anderson sorgt an der Gitarre für perkussiv-funkige Sounds und singt - wie gewohnt - gekonnt dieses tolle Lied, Moraz liefert eine überzeugende Performance an der Orgel, Howe spielt auf seiner halbakustischen Gibson fast countryähnliche Linien. Das klappt super - hätten sie das mit mehr anderen alten Tracks gemacht, wäre das sicherlich gut geworden - mit "Time and a Word" hat's schließlich auch geklappt. Vielleicht gibt es ja 2009 ein paar Lieder aus den frühen Yesjahren zu hören.
Zu guter letzt gibt es eine spannende Version von Yours is no Disgrace - besonders der Bass überzeugt hier. Es ist zwar weitgehend ein Cover der "Yessongs"-Version - mit dem gephasten Schlagzeug am Anfang - wird aber auch hier erstaunlich gut interpretiert.
Dann ist nach 70 Minuten leider Schluss - da hätte gut der Rest des Konzertes auch noch draufgepasst - natürlich vor "And You and I".

Die Bilanz?
Ein hochspannendes Filmdokument von Yes, wohl das beste aus dieser Zeit, das es mit dem "Yessongs"-Film spielend aufnehmen kann... was wäre passiert, wenn man bei "Yesshows" ein komplettes der Konzerte dieser "Relayer"-Tour verwendet und auch die restlichen Schnipsel verzichtet hätte?
Ein Livealbum, das die Yessongs-CD - die sonst als mein Lieblingsyeslivealbum gilt - ohne Frage in den Schatten gestellt hätte. Warum das der Fall gewesen wäre? "Yessongs" deckt nur drei Alben ab: das "Yes Album", die "Fragile" und "Close to the Edge". Meine anderen Lieblingsalben "Tales", "Relayer" und "Going for the one" tauchen jedoch nicht auf... zwar gibt es "Going for the One" auch bei der 1975/1976er Tour nicht bzw. nur in Jams fragmentweise zu hören... trotzdem gibt es hier toll umgesetzte Versionen von "Tales" und "Relayer".
Punkte? 9/10! :Ö:
Soundlich ist es hier viel besser, wenn auch nicht ganz perfekt.
Vol.1: 7/10 Punkte
Vol.2: 9/10 Punkte
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ges.: 8/10 Punkten
Daher:
Hut ab - absolute Kaufempfehlung an die Yes-Prog-Fans... es ist zwar für den Inhalt etwas teuer, aber musikalisch sehr gut. Auch wenn Vol.2 vom Sound her deutlich besser ist, muss man auch Vol.1 haben, da man sonst nur ein halbes Konzert hat.

Vom Sound her ist etwa die Hälfte an irgendeiner Stelle miserabel: entweder schrammelt Anderson so laut und falsch, dass andere Soli verloren gehen, oder Herr Moraz hat wieder Probleme mit seinen Analogkeyboards. Dafür ist der Sound sehr sehr klar, keineswegs verschwommen, krachend oder eiernd. 4/10 Punkten für die Abmischung, 7/10 Punkten für die Tonqualität, macht 5,5/10 Punkten für den Sound.
Musikalisch gibt es von mir 9/10 Punkten - einige kleine Verspieler und der Respekt vor DVD 2 halten mich davon ab, die volle Punktzahl zu geben. 7,25/10 Punkten ist folglich das Ergebnis, und ich runde wegen des recht hohen Preises für eine Stunde Musik (um die 9 Euro herum) auf
7/10 Punkten ab.
Sorry, mehr kann ich nicht geben.